Ängstliche Mittelschicht: Gesamtschule abgesagt

(c) Clemens Fabry
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Gertrud Nagy beschreibt die Vorteile der Gesamtschule, die derzeit keine Chance hat.

Wien. Warum wurde bisher noch keine Gesamtschule in Österreich eingeführt? Für die Erziehungswissenschaftlerin Gertrud Nagy liegt der Grund auf der Hand: Da die bildungsnahe Mittelschicht zu viel Angst vor einem Verlust an Qualität und Privilegien hat – und auch gewisse Standesdünkel. Ihr Buch „Die Angst der Mittelschicht vor der Gesamtschule“ ist eine Sammlung von Befunden, die zeigen sollen, dass eine gemeinsame Schule das Schulsystem verbessern würde.

Im Gespräch mit der „Presse“ ist für die ehemalige Hauptschullehrerin allerdings klar, dass „der Zug abgefahren ist“. Derzeit sieht sie keine Chance für eine Umsetzung der Gesamtschule. Das Blatt könnte sich erst in einigen Jahren wieder wenden. Und zwar dann, wenn die Neue Mittelschule es tatsächlich schafft, eine neue Lernkultur umzusetzen. Das wäre laut Nagy dringend notwendig, da unser Bildungssystem immer stärker in Richtung eines Zweiklassensystems gehe: „Wenn viele Jugendliche keine beruflichen Perspektiven haben und sich ausgegrenzt fühlen, kann es zu sozialen Unruhen kommen.“ Ein Thema, das in den kommenden Jahren dringlicher werden könnte.

Im Fokus des Buches stehen sozial benachteiligte Kinder, denen die Autorin ihre Stimme leihen will. Das ist prototypisch für die Diskussion um die Gesamtschule, die sich für die Befürworter stets um die Frage dreht, wie sozial benachteiligte Kinder am besten lernen können. Klug wäre es auch einzubeziehen, wie Mittelschichtkinder am besten lernen können. Dann wäre die Angst ihrer Eltern vor der Gesamtschule vielleicht nicht so groß. (rovi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2015)

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