USA: Obamas republikanische Brieffeinde

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In einem Schreiben an Irans Führer sprechen 47 US-Senatoren Präsident Obama das Recht ab, ein Atomabkommen zu schließen.

Washington. Richard Nixon beendete den Vietnam-Krieg ebenso ohne Zustimmung des US-Kongresses, wie er die Volksrepublik China diplomatisch anerkannte. Ronald Reagan hatte gleichermaßen freie Hand bei der Lösung der Teheraner Geiselkrise. Doch was für diese beiden konservativen Präsidenten galt, wollen 47 republikanische Senatoren Amtsinhaber Barack Obama verweigern. In einem Brief an Irans politische und religiöse Führer drohen sie mit einem Veto gegen das Ergebnis der Verhandlungen, die die US-Regierung gemeinsam mit China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland über das iranische Atomprogramm führt.

Nachhilfe aus dem Senat

„Es ist uns während der Beobachtung Ihrer Nuklearverhandlungen mit unserer Regierung zur Kenntnis gekommen, dass Sie möglicherweise unser Verfassungssystem nicht voll verstehen“, beginnt der einseitige Brief. Es folgt die Erklärung, wonach völkerrechtliche Verträge einer Zweidrittelmehrheit im Senat bedürfen (mit Sonderfällen, in denen nur 60 Prozent der Stimmen erforderlich sind, dafür aber auch ein Votum im Abgeordnetenhaus, der zweiten Kammer). Zudem halten die Senatoren fest, dass die meisten von ihnen noch im Amt sein werden, nachdem Obama am 20.Jänner 2017 das Weiße Haus verlassen haben wird. „Möglicherweise für Jahrzehnte.“

Und die 47 Senatoren drohen: Das Resultat der seit Februar in der Schweiz laufenden Verhandlungen, deren Frist Ende März abläuft, könne vom nächsten Präsidenten mit einem Federstrich zunichte gemacht oder vom Kongress jederzeit verändert werden. „Wir hoffen, dieser Brief bereichert Ihr Wissen über unser Verfassungssystem und fördert gegenseitiges Verständnis und Klarheit, während die Nuklearverhandlungen voranschreiten.“

Tatsächlich jedoch wissen die Iraner bestens über den US-Gesetzgebungsprozess Bescheid. Javad Zarif, der als Außenminister die Verhandlungen führt, hat an drei amerikanischen Hochschulen studiert und an der University of Denver ein Doktorat in internationalen Beziehungen erlangt. Zumindest sechs weitere Teheraner Kabinettsmitglieder haben Abschlüsse von US-Universitäten.

Und in der Sache selbst ist die Lage nicht so holzschnittartig, wie es der Brief suggeriert. Gewiss: Für völkerrechtliche Verträge, die eine rechtliche Verpflichtung der USA nach sich ziehen, braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Doch seit dem Zweiten Weltkrieg haben US-Präsidenten beider Parteien fast ausschließlich so genannte Executive Agreements mit Drittstaaten geschlossen, um die diplomatischen Beziehungen der USA zum Rest der Welt zu gestalten. In den Jahren 1939 bis 1989 waren laut einer im Jahr 2009 veröffentlichten Studie der University of Michigan 94,3Prozent aller Übereinkünfte der US-Regierung solche Regierungsübereinkommen. Zahlen für die Zeit nach Ende des Kalten Krieges liegen nicht vor.

Obama steht in einer langen parteiübergreifenden Tradition, wenn er – unbeschwert von der ständigen Abstimmung mit dem Kongress – mit dem Iran und den fünf anderen Regierungen darüber verhandelt, für wie lange und unter welchen Aufsichtspflichten Teheran die Anreicherung radioaktiven Materials einschränkt.

Das ändert übrigens nichts an den bestehenden Wirtschaftssanktionen der USA gegen den Iran. Diese sind in einem US-Gesetz festgeschrieben und können somit nur vom Kongress geändert oder aufgehoben werden. Diese Norm enthält allerdings auch eine Klausel, die den Präsidenten dazu ermächtigt, die Sanktionen zeitweilig auszusetzen. Ohne diese Klausel könnte Washington Teheran bildlich gesprochen nur mit der Peitsche drohen, aber kein Zuckerbrot für Zugeständnisse anbieten.

Bob Corker unterschrieb nicht

Gerald F. Seib, Chef des Washington-Büros des konservativen „Wall Street Journal“, gab zudem zu bedenken, dass die Vetodrohung der 47 Senatoren die Wahrscheinlichkeit einer Einigung mindert, die den Iran am Bau einer Atombombe hindert. Die iranischen Verhandler hätten es nun schwerer, Hardliner im eigenen Land zu überzeugen.

Es ist bemerkenswert, dass einer der wichtigsten Republikaner im Senat den Brief nicht unterzeichnet hat, nämlich Bob Corker, seit Jänner Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses. Er konzentriere sich stattdessen darauf, bei den Demokraten die nötigen Stimmen für ein Gesetz zu sammeln, das dem Senat das Recht verliehe, binnen 60 Tagen Ja oder Nein zum fertig verhandelten Text zu sagen, hieß es aus seinem Büro. Sein Parteikollege Jeff Flake, ein weiterer der sieben Republikaner, die sich der Unterschrift enthielten, war noch deutlicher: „Diese Verhandlungen sind ohnehin schon schwer genug. Ich denke nicht, dass das sinnvoll war.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2015)

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