Die Steuerreformer und ihre Voodoo-Mathematik

Wie es aussieht, bekommen wir eine Tarifkorrektur, die wir uns weitgehend selbst bezahlen. Eine echte Steuerreform ist das noch lang nicht.

Knapp vor dem Finale präsentiert die kommende Steuerreform sich in der Öffentlichkeit ungefähr so: Arbeitnehmer werden steuerlich entlastet, indem man eventuell den Spitzensteuersatz anhebt. Verringert werden müssen natürlich auch die wirtschaftsschädigenden Lohnnebenkosten, weshalb eine Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung nicht ausgeschlossen wird. Der Konsum wird mittels Anpassung ermäßigter Mehrwertsteuersätze auf den Normalsatz angekurbelt. Eventuell könnte man den Leuten noch mit einer höheren Grunderwerbssteuer „mehr Geld im Börserl“ verschaffen. Und für mehr Gerechtigkeit würde sicher eine Erhöhung der Dividenden-KESt sorgen. Hauptsache, man verliert das Ziel nicht aus den Augen: Mehr netto vom Brutto!

Genug geblödelt: Das PR-Desaster ist schon angerichtet. Es gibt wohl nur noch wenige Steuerbürger im Land, die von dem, was da kommt, eine Entlastung erwarten. Vielleicht haben sie damit unrecht, aber derzeit sieht es doch ganz danach aus, als würden die Leute sich ihre längst überfällige Tarifkorrektur in der Lohnsteuer (eigentlich nur eine Rückvergütung der kalten Progression) überwiegend selbst bezahlen. Denn rund die Hälfte der Gegenfinanzierung wird wohl aus höheren Steuern bestehen. Der Rest ist Voodoo-Mathematik.

Nichts anderes ist nämlich der Ansatz von 2,5 Milliarden Euro, die durch Selbstfinanzierung und Steuerbetrugsbekämpfung aufgebracht werden sollen. Stimmt schon: Wenn der geplagte Lohnsteuerpflichtige seine 20 Euro mehr netto vom Brutto nicht auf dem Konto lässt, sondern beispielsweise zum nächsten Wirt trägt, dann erhöht das die Steuereinnahmen. Vorausgesetzt, Letzterer hat schon seine voll transparente Registrierkassa und versteuert das dann auch. Aber die Erwartungen sind wohl weit überzogen. Das Ganze erinnert ein bisschen an die Berechnungen, mit denen Infrastrukturinvestitionen gerechtfertigt werden – und die in der Regel Werte ergeben, denen zufolge man nur genügend kreditfinanzierte Löcher in Berge bohren müsste, um den Staatshaushalt über die Rückflüsse zu sanieren. In größerem Stil würde diese Teilselbstfinanzierung wohl nur funktionieren, wenn die Steuerreform zu einer wirklich spürbaren Senkung der Steuer- und Abgabenquote insgesamt führt. Genau das ist aber ganz offensichtlich nicht geplant. Wir bekommen also keine Reform, sondern eine weitgehend durch Steuererhöhungen finanzierte Korrektur des Lohnsteuertarifs. Eine, die die Strukturen nicht angreift – und so möglicherweise sogar den Budgetpfad gefährdet.

Das ist besser als nichts. Aber darum hätte man nicht so viel Wind machen müssen. Eine ausgabenseitige Gegenfinanzierung durch Strukturreformen ist ja offenbar nicht einmal angedacht. Im Gegenteil: Man hört jetzt immer öfter Stimmen, die die Ausgabenreform auf eine zweite Etappe in fünf Jahren verlegen. Auf eine Zeit also, in der die meisten der jetzigen Verhandler wohl nicht mehr dabei sein werden.

Erwarten wir uns für den 17.März also einfach nichts Weltbewegendes. Und beginnen wir gleich, auf eine wirkliche Steuersystemreform zu drängen. Diese muss zwei Eckpunkte haben: eine Senkung der völlig überzogenen Steuerquote durch eine Ausgabenreform und eine substanzielle Umschichtung der verbliebenen Steuerlast von der Arbeit auf andere Bereiche. Beides bekommen wir jetzt nicht.

Bei dieser Umschichtung darf es keine Tabus geben, da sind substanzielle vermögensbezogene Steuern ebenso wenig ausgenommen wie sinnvolle Abgaben mit Öko-Lenkungseffekt. Aber eben immer unter der Prämisse, dass die Gesamtsteuerbelastung sinkt.

Da es dabei natürlich auch Verlierer gibt, muss man zu Beginn ein klares Gesamtkonzept kommunizieren und hart gegenüber Lobbys bleiben. So, wie es jetzt gemacht wurde, nämlich ein Volumen zu definieren und dann relativ konzeptlos mit Einsatz ideologischer Nebelgranaten nach Steuererhöhungsmöglichkeiten zur Gegenfinanzierung zu suchen, so wird das nichts mit einer Reform, die diesen Namen verdient.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2015)

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