Staatsschutz und Heeresnachrichtenamt suchen nach Informationen über Verbleib des Österreichers, den der IS entführt hat. Einsatz von Cobra oder Jagdkommando (fast) ausgeschlossen.
Wien. „Es wird alles unternommen, um Hilfestellung zu leisten.“ Nach außen hin versuchte Regierungschef Werner Faymann am Dienstag, Zuversicht zu verströmen. Bevölkerung, Medien, insbesondere aber die Familie jenes 39-jährigen Oberösterreichers, der am vergangenen Freitag in Libyen entführt wurde, zeigen großes Interesse an dem Fall. Das hat auch damit zu tun, da es sich bei den Tätern um eine Gruppierung des sogenannten Islamischen Staats (IS) handeln soll.
Was die Regierung nach außen nicht so deutlich sagt: Die Möglichkeiten, die Lage des Vermissten aktiv zu verbessern, sind sehr begrenzt. Trotz aller Bemühungen.
Das größte Problem, vor dem der vom Außenministerium geführte Krisenstab derzeit steht, ist, dass zuverlässige Informationen fehlen. Es gibt bisher keine Kommunikationsmöglichkeit mit den Entführern. Auch über den Gesundheitszustand der Geisel und ihren möglichen Aufenthaltsort ist nichts bekannt. Als gesichert bezeichneten die Behörden nur die ideologische Zugehörigkeit der Entführer sowie die Identitäten der weiteren acht Vermissten. Daher liegt die Hauptlast der gegenwärtigen Tätigkeiten bei den Nachrichtendiensten.
Hoffnung auf Tauschgeschäft
Vor allem dem Heeresnachrichtenamt (HNaA) des Bundesheers kommt derzeit erhöhte Bedeutung zu. Neben dem Balkan zählen Zentral- und Nordafrika nämlich zu den wenigen Gegenden der Welt, in denen der international vergleichsweise kleine Nachrichtendienst über ein verlässliches, vor allem aber selbst geführtes Quellennetz verfügt. Zu tun hat das sowohl mit dem Tschad-Einsatz des Bundesheers (bis Ende 2009) als auch mit den einst engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Österreich und dem an den Tschad angrenzenden Libyen. Während dieser Zeit baute das Militär in der Region Kapazitäten auf, machten HNaA-Analysten sich mit Kenntnissen der unterschiedlichsten arabischen Dialekte einen guten Ruf in der Gemeinschaft der Dienste.
Auf dieses Wissen um die Verhältnisse dort baut nun auch der Krisenstab im Außenministerium. Wenn auch eher indirekt, denn: Ausländische Dienste geben Informationen (derzeit könnten zum Beispiel hochauflösende Satellitenbilder helfen) nur dann weiter, wenn sie dafür selbst exklusive Inhalte bekommen. Deshalb erhält das HNaA Unterstützung vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Die Behörde des Innenministeriums ist in Österreich Kontaktstelle für zivile Nachrichtendienste anderer Länder und könnte möglicherweise ebenfalls zum Tausch von Informationen beitragen.
Dabei scheint die Bewertung der jetzigen Lage besonders schwierig. So geht das HNaA in einer Analyse einerseits davon aus, dass Entführung und Erpressung wegen der versiegenden Erlöse aus dem Verkauf von Erdöl für den IS das Geschäftsmodell der Zukunft sind. Andererseits gibt es für den Fall in Libyen die Einschätzung, dass mit einer Lösegeldforderung wohl eher nicht zu rechnen sei: Anfang Februar entführte dieselbe Jihadistenmiliz ganz in der Nähe mehrere Filipinos. Seither hat niemand mehr von ihnen gehört. Was also tun?
Eine aktive Geiselbefreiung ist jedenfalls äußert unwahrscheinlich. Das Innenministerium bewertet die Lage in Libyen als viel zu gefährlich, um überhaupt an einen Einsatz der Cobra zu denken. Außerdem müsste man dafür den Aufenthaltsort des Entführten kennen. Das Gleiche – wenn auch aus anderen Gründen – gilt für einen Einsatz des Jagdkommandos. Für eine Aktion des Militärs im Ausland fehlt nämlich schlichtweg der rechtliche Rahmen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2015)