Alpine Küche: Milch, Gams und Enzian

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Ob mit Murmeltiermacarons oder neu gekampelten Blattlkrapfen: Das Thema Alpen ist eine internationale Chance für Österreichs Spitzenküche.

Zwar sind Ingwersorbet und frische Himbeeren im Winter vielleicht nicht die beste Wahl, um die neue alpine Küche im Ausland zu bewerben, aber der Wille war da und der Einsatz groß: Fünf österreichische Küchenchefs präsentierten sich kürzlich, flankiert von heimischen Winzern, in London vor britischen Kulinarikjournalisten. Ziel: dem Land neben Flandern oder dem Baskenland Aufmerksamkeit als Gourmetdestination zu sichern. Vom Hasenfleisch über Salzburger Kaviar bis hin zur Saiblingsleber wurde alles nach London eingeflogen, in zig Koffern von Andreas Döllerer, Hubert Wallner, Thomas Dorfer, Philip und Helmut Rachinger sowie Richard Rauch.

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Döllerer, der in Golling bei Salzburg schon seit Jahren unter der selbst geschaffenen und immer stringenter werdenden Marke Cuisine Alpine werkt, garte im gebirgskettenähnlichen Zaha-Hadid-Bau des Magazine Restaurants im Hyde Park Fenchel in einem Teig aus Gletschersand. Die Rachingers, die schon international Anerkennung für ihre impulsive wie nonchalante Naturküche erhalten und gerade auf das Avantgarde-Kochfestival Omnivore in Paris eingeladen waren, kombinierten Rote Rüben mit Hasenrücken und geräuchertem Obers – und ließen durch den Einsatz von fetter Milch, auch wenn als Nebendarsteller, ein wichtiges Statement durchblitzen: Österreichische Köche könnten in ihrem Streben nach einer international unverwechselbaren (Alpen-)Identität generell mehr auf Milch setzen.

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In all ihren bisweilen wundersamen Ausprägungen. Dieses Feld wurde noch nicht im großen Stil besetzt. Österreich ist ein Land der Milchwirtschaft, der Almen – Wiesen und Kühe beherrschen optisch wie akustisch und olfaktorisch ganze Landschaften. Singuläre Molkereizutaten mit ebensolchen Namen aus dem alpinen Raum gibt es zuhauf: Gsig, den Molkekaramell nach Vorarlberger Tradition, Schotten, Graukäse, Sura Kees . . . Eine weitere Zutat zur Positionierung: Wild. So viel Wild wie Österreich hat keiner, meint etwa Heinz Reitbauer, solche Vielfalt, Qualität und Forstpflege. Außerdem wichtig: Mehl und Mehlspeisen. Und zwar Mehl nicht nur aus Getreide. Das macht die neue Südtiroler Küche vor: mit Kastanienmehl oder Kletzenmehl. Hannes Müller vom Kärntner Weißensee verwendet Boxelemehl, also gemahlene Johannisbrotbaumfrüchte, für süße Ravioli – eine Süd­tiroler Inspiration, wie er bereitwillig erzählt.

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Enzian und Gams. Und Müller beweist damit eine gesunde Ignoranz des strengen Regionaldogmatismus: Für eine alpine Spitzenküche, die international reüssieren will, muss das Spiel mit allen Höhenlagenzutaten erlaubt sein, egal, ob sie jetzt aus dem Dolomitenraum stammen, dem Tiroler Oberland oder einem Karawankental. Vogelbeeren, Berberitzen, Enzianwurzeln, Zirbenzapfen, Tannenwipfel, Gamsfleisch, Speck, Riebelmais, Schweineblut, Buchweizenhonig, Flusskrebse, Fischleber, Kleeblüten, Huflattich, Lupinen, Wacholder. Nur die Zutaten allein sind es aber nicht. Denn ein bloßes Umlegen von alpinen Ingredienzien auf abgedroschene Gerichtelemente wäre falsch – Murmeltiermacarons und Zirbenmarshmallows sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Es muss, um einen Stil zu bilden, auch um alpine Traditionsgerichte gehen, denen man mit einer Portion Witz und vielleicht kalorienreduzierender Eleganz zu Leibe rückt: ob Schlutzkrapfen, Speckknödel oder Blattlkrapfen. Mit dem bisher unbesetzten Gebirgsthema und dem hohen weltweiten Bekanntheitsgrad der Alpen hat dieses Konzept für Österreichs Gastronomie gute Chancen. Vor allem, wenn heimische Köche und Köchinnen auch einmal staatliche Unterstützung erfahren würden, so wie sie für das nordische Küchenwunder oder den Aufstieg der peruanischen Küche maßgeblich war. Denn die neoalpine Küche wird schon realisiert, da und dort, im Alleingang. Sie ist Tatsache, die nur forciert und kommuniziert werden will.

Die Reise erfolgte zum Teil auf Einladung der Genießerhotels.

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