Analyse: Warum sinkt der Euro wie ein Stein?

(c) Reuters
  • Drucken

Die Parität zum Dollar ist schon abzusehen – manche Analysten rechnen sogar mit einem Absinken des Euro auf 0,85 Dollar. Aber woher kommt diese Euroschwäche, was bedeutet sie für Europa – und was hat das mit dem Ölpreis zu tun?

Wien. Der Wechselkurs des Euro zur Leitwährung Dollar ist seit Anfang 2014 eingebrochen. Im Jahresvergleich hat die europäische Gemeinschaftswährung mehr als 30 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar verloren. Praktisch alle Analysten gehen davon aus, dass die Parität noch in diesem Frühjahr erreicht sein wird. Dann wird ein Euro einen Dollar kosten und umgekehrt. Und dann?

Die Experten der Deutschen Bank können sich sogar einen Euro-Einbruch auf 85 Dollar-Cent vorstellen. Tiefer stand der Euro in seiner ganzen – allerdings auch kurzen – Geschichte noch nie.

Weder Gründe noch Folgen dieser Wechselkursentwicklung sind vollkommen klar. Es gibt Indizien und Analysen – aber auch Widersprüche. Dass die dauerhafte Abwertung einer Währung kein anzustrebendes Ziel sein kann, sollte auf der Hand liegen. Aber Fluktuation ist normal – und als der Euro mehr als 1,4 Dollar wert war, befürchte auch kaum jemand das sofortige Ende des US-Dollar. Welche möglichen Gründe und Folgen des aktuellen Euroverfalls gibt es also?

Ein Kurs, vier Szenarien

► Das geldpolitische Szenario: Der Euro hat auch deutlich gegenüber dem Britischen Pfund, dem Südkoreanischen Won und dem Schweizer Franken nachgegeben – aber nicht so deutlich wie gegenüber dem Dollar. Die Gründe für die Dollar-Stärke muss man nicht lang suchen. Nach drei Runden Quantitative Easing ließ die US-Notenbank Fed ihr Liquiditätsprogramm Ende vergangenen Jahres auslaufen. Der Ausstieg erfolgte aber stufenweise und lief über das gesamte Jahr 2014, was erklären würde, warum der Dollar gegenüber dem Euro in diesem Jahr so stark zulegen konnte. Heuer kam dann noch das EZB-eigene QE-Programm dazu. Die Europäische Zentralbank will bis September 2016 1,14 Billionen Euro in den Markt pumpen.
Das erklärte Ziel ist die Erhöhung der Inflationsrate – also die verstärkte Entwertung der Währung. Das konkrete Ziel der EZB ist eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent. Ist es da ein Wunder, dass der Euro abwertet? Eher nicht. Erst recht, wenn man heuer eine Zinsanhebung der Fed erwartet – wie es die meisten Analysten auch tun.

► Das Währungskriegszenario: Allerdings: Wenn der Euro wirklich weich wäre, müsste die Inflationsrate im Euroraum ja schon höher sein. Stattdessen haben wir es mit teils negativen Inflationsraten zu tun. Es stimmt sicher, dass viele Notenbanken versuchen, den deflationären Folgen der Krise durch eine weitere Lockerung der Geldpolitik entgegenzutreten. Dieser Abwertungswettlauf wird auch als Währungskrieg bezeichnet.

Die Idee: je schwächer die Währung, desto einfacher der Export. OeNB-Chef Nowotny hat die Existenz eines solchen Währungskrieges am Mittwoch aber dementiert. Und dass die EZB nur auf die Inflationsrate – und nicht auf den Wechselkurs – schaut, ist ihr angesichts ihres klaren Mandats zur Inflationskontrolle auch zu glauben. Dass sich die EZB wirklich in einem Abwertungswettlauf befindet, ist also eher unwahrscheinlich. Unmöglich ist es trotzdem nicht. Heuer haben bereits 24 Zentralbanken weltweit mehr oder minder überraschend die Zinsen gesenkt. Hier trifft sich das geldpolitische Szenario mit dem Währungskrieg. Denn nur die Fed setzt derzeit (zumindest verbal) auf eine Straffung der Geldpolitik, was die Dollar-Stärke zusätzlich unterstützt.

► Das positive Szenario: Der Euro-Wechselkurs schwächelt – aber ist das wirklich ein Problem? Der Exportindustrie hilft das sicherlich. Und anders als die USA hat die Eurozone auch einen Handelsbilanzüberschuss, ist also ein Nettoexporteur. Manche Ökonomen sehen den schwachen Kurs (in Kombination mit dem niedrigen Ölpreis) sogar als Doping für die Konjunktur.

► Das Ölszenario: Hier trifft sich die virtuelle Welt des Geldes mit der realen Wirtschaft: beim Öl, dem ultimativen Rohstoff. Es ist extrem auffällig, dass der Einbruch des Ölpreises mit dem Einbruch des Euro Hand in Hand geht: Beide haben im Jänner 2014 begonnen. Wenn man genau hinsieht, haben sich Eurokurs und Ölpreis sogar seit 2007 praktisch im Tandem bewegt. Das wird vor allem erkennbar, wenn man den Dollar aus der Berechnung nimmt und den Eurokurs mit dem Ölpreis in Gold vergleicht. US-Analyst Joe Weisenthal (inzwischen bei Bloomberg) hat auf diese Korrelation schon 2012 hingewiesen.



Der Ölpreis, so das Argument, sei ein wichtiger Treiber der Inflationsrate – weil Öl als Kraftstoff in fast allen Industriebereichen Teil der Preisbildung ist. Weisenthal verweist an dieser Stelle auf die exklusive Konzentration der EZB auf die Inflationskontrolle. So hätte die EZB 2008 und 2011 zu einer Zeit die Zinsen erhöht, die zwar aus Konjunktursicht als unpassend erschien – aber mit hohen Inflationsraten (und Ölpreisen) einherging. Das würde auch erklären, warum die EZB jetzt, da der Ölpreis stark gesunken ist, auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik setzt.

Damit wäre der Euro trotz aktueller Schwäche gegenüber dem Dollar durchaus auf Kurs. Es war immer die Idee hinter der Gemeinschaftswährung, eine Alternative zum Ölhandel in US-Dollar bereitzustellen. Heißt: Obwohl der Dollar als Ölwährung noch unumstritten ist, steuert die EZB diesem Szenario zufolge den Euro bereits wie eine Petro-Währung. Wer wissen will, wann es mit dem Eurokurs wieder bergauf geht, muss also nur auf den Ölpreis achten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

EZB in Frankfurt am Main
International

EZB: Geldflut drückt die Anleihenzinsen

Die Euro-Zentralbanken haben am Montag damit begonnen, über Käufe von Staatsanleihen Geld in den Markt zu pumpen. Die Renditen sanken. Die Wirkung des Plans bleibt umstritten.
Startschuss für EZB-Geldschwemme drückt Euro auf neues Tief
International

Startschuss für EZB-Geldschwemme drückt Euro auf neues Tief

Die Gemeinschaftswährung ist auf den tiefsten Stand seit September 2003 gefallen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.