Syrien: Wird Assad wieder salonfähig?

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US-Außenminister Kerry will erstmals Syriens Diktator Bashar al-Assad in Verhandlungen einbeziehen, doch Paris und London bremsen. Die Optionen für eine Lösung werden immer weniger.

Kairo. Die Reaktion der europäischen Partner auf John Kerrys Vorstoß fiel negativ aus: Paris wolle den Konflikt in Syrien zwar durch Verhandlungen lösen, aber Syriens Machthaber Bashar al-Assad könne nicht „Teil eines solchen Rahmens sein“, stellte ein Sprecher des französischen Außenministeriums am Montag fest. Kurz zuvor hatte bereits eine britische Außenamtssprecherin beteuert, dass London am Sturz des syrischen Diktators festhalte. „Assad hat keinen Platz in Syriens Zukunft.“

Auch die Türkei und die arabischen Golfmonarchien reagierten ablehnend auf die jüngsten Überlegungen des US-Außenministers. Dieser hatte am Sonntag in einem Interview angedeutet, dass man Assad wohl in Verhandlungen über die Zukunft Syriens einbeziehen müsse. Wenn Assad zu „seriösen Verhandlungen auf Basis der Genfer Vereinbarungen“ bereit sei, seien auch die USA dazu willens. Kerrys Sprecherin Marie Harf versuchte anschließend zu kalmieren: Kerry habe lediglich für eine Verhandlungslösung plädiert, nicht aber für direkte Gespräche mit Assad.

Assad will Taten sehen

Syriens Medien feierten Kerrys Äußerung hingegen. Ihnen müssten aber auch Taten folgen, verlangte am Montag Assad in einer TV-Rede. Die Staatengemeinschaft müsse ihre „politische Unterstützung für die Terroristen“ einstellen. Syriens Regime bezeichnet alle oppositionellen Bewegungen als Terroristen. Bereits 48 Stunden vor Kerry hatte der CIA-Chef bereits das politische Terrain planiert und erklärt, niemand wolle einen Zusammenbruch der Regierung und der politischen Institutionen in Damaskus. Denn niemand wolle erleben, wie die Extremisten des Islamischen Staats (IS) und der al-Qaida in die syrische Hauptstadt einmarschierten.

Im fünften Kriegsjahr in Syrien mit bisher 215.000 Toten und zehn Millionen Entwurzelten weiß international niemand, wie der Konflikt gelöst werden könnte. Die Interessen und Kalkulationen aller Seiten sind mittlerweile verworren, die Positionen erstarrt. Und nachdem Anfang 2014 die Genfer Gespräche gescheitert waren, gab es keinerlei politische Initiative mehr, die Selbstzerstörung Syriens zu stoppen und für seine 23 Millionen Bewohnern wenigstens einen Rest ihrer Heimat zu retten.

Stattdessen entsteht in den Ruinen der postosmanischen arabischen Staatenordnung mit dem „Islamischen Kalifat“ des IS ein neuer Furor, der mittlerweile das Millionenleid der syrischen Bevölkerung überblendet und rund um den Globus Gleichgesinnte anzieht. Ihrer mörderischen Gewaltideologie im Namen des Islam ist weder mit Luftangriffen noch mit Panzern beizukommen.

Der Westen rutscht immer tiefer in ein Dilemma. Er will in den Konflikt in Syrien nicht militärisch eingreifen, kann ihn aber auch nicht einfach weiterbrodeln lassen. Die gemäßigten Rebellenverbände sind praktisch aufgerieben. Jordanien und der Libanon werden weitere Jahre unter ihrer enormen Flüchtlingsbürde leiden. Die Zahl der Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer, die sich bereits im vergangenen Jahr vervierfachte, könnte bald auf eine halbe Million steigen.

Zeitfenster für Luftangriffe

In der Rückschau wäre vielleicht im Februar 2012 nach dem zweiten UN-Veto durch Russland und China eine Militärintervention noch möglich gewesen, um das Blutvergießen rasch zu beenden. Und hätte US-Präsident Barack Obama im August 2013 den Giftgaseinsatz des Assad-Regimes mit Bombenangriffen und einer permanenten Lufthoheit beantwortet, wäre der Region wohl das „Islamische Kalifat“ erspart geblieben.

Inzwischen dämmert allen Seiten, dass sich die fanatischen Anhänger des selbst ernannten Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi ohne Bodentruppen aus dem Irak und Syrien nicht mehr werden vertreiben lassen. Im nordirakischen Tikrit steht die eilends zusammengeflickte irakische Armee möglicherweise vor ihrem ersten Erfolg, auch wenn die Offensive erst einmal ins Stocken geraten ist und sich Bagdads Truppen in den Westprovinzen des Landes am IS nach wie vor die Zähne ausbeißen. An eine Rückeroberung der Zwei-Millionen-Metropole Mossul ist in absehbarer Zeit nicht zu denken.

Assad wiederum könnte anbieten, seine Armee, unterstützt von der Hisbollah, gegen die IS-Hochburg Raqqa in Syrien in Marsch zu setzen, wenn die internationale Gemeinschaft seinem Regime dafür das politische Überleben garantiert – eine Variante, die die eingeschworenen Assad-Feinde Saudiarabien, Katar und Türkei unter allen Umständen verhindern wollen.

Gute Optionen in Syrien gab es nie. Und je länger das Gemetzel dauert, desto schlechter werden alle militärischen Möglichkeiten von außen.

AUF EINEN BLICK

US-Außenminister John Kerry deutete in einem Interview erstmals an, dass der Westen notfalls auch mit Syriens Machthaber Bashar al-Assad verhandeln müsse, um eine Friedenslösung für das von vier Jahren Bürgerkrieg verwüstete Land zu erzielen. Später versuchte eine Sprecherin Kerrys, die Aussage des US-Außenministers zu relativieren. Die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens reagierten sofort: Sie stellten am Montag klar, dass Assad bei einer Friedenslösung für Syrien keine Rolle mehr spielen dürfe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2015)

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