Bankgeheimnis: Der gläserne Steuerzahler

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Künftig wird ein vager Verdacht ausreichen, um Konten öffnen zu lassen. Im Gegensatz zu Deutschland sollen allerdings nicht alle Behörden im Kontoregister stöbern können.

Wien. Das Ende des Bankgeheimnisses wurde mit den vorliegenden Plänen zur Steuerreform eingeläutet. Tatsächlich reichen die Absichten viel weiter, als nur die „Konten von Unternehmen“ ins Visier zu nehmen. Die Regierung plant de facto den gläsernen Steuerzahler. „Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen.

1) Unter welchen Umständen kann die Finanz künftig Einblick in Privatkonten nehmen?
Das Ende des Bankgeheimnisses ist de facto schon Ende vorigen Jahres besiegelt worden. Damals erklärte Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass sich auch Österreich am automatischen Datenaustausch aller EU-Länder beteiligen würde. Dieser soll 2017 in Kraft treten. Ziel ist, ein zentrales Kontoregister einzuführen. Geplant ist, dass die Lockerung des Bankgeheimnisses nur im Zusammenhang mit Steuerprüfungen erfolgt. Im Gegensatz zu Deutschland sollen nicht sämtliche Behörden in das Register Einsicht nehmen können. In Deutschland sind unter anderem auch Sozialämter, Arbeitsämter und Gerichtsvollzieher dazu befugt.

2) Ist ein begründeter Verdacht für die
Kontoeinsicht notwendig?
Nein, nach bisherigen Plänen soll es genügen, dass ein vager Verdacht vorliegt. Etwa, wenn allgemeine Erfahrungswerte ein Fehlverhalten nahelegen. Diese Erfahrungswerte werden zum Beispiel zum Tragen kommen, wenn jemandem Schwarzarbeit vorgeworfen wird.

3) Warum müssen die Banken schon jetzt Daten an die Behörden weitergeben?
Das Bankgeheimnis gilt nicht bei einem bereits eingeleiteten Strafverfahren. Dazu müssen die Behörden ein Gericht davon überzeugen, dass es gegen einen inländischen Kontoinhaber einen konkreten Verdacht auf Steuerhinterziehung, Steuerbetrug, Geldwäsche oder andere strafbare Delikte gibt. Bei Verdacht auf Geldwäsche muss die Bank von sich aus Meldung an die Finanzbehörde machen. Ein Staatsanwalt ordnet dann bei allen österreichischen Banken an, innerhalb von fünf Tagen die Konten der verdächtigen Personen bekannt zu geben. Die Konten werden per Gerichtsbeschluss geöffnet. Ein zentrales Kontoregister wie in Deutschland gibt es nicht.
Der Staatsanwalt schickt die Anfrage an die fünf Bankverbände (Raiffeisen Volksbanken, Aktienbanken, Sparkassen, Hypos). Diese leiten die Anfrage an die Mitgliedsinstitute weiter.

4) Wie lang würde der Aufbau eines zentralen Kontoregisters dauern?
In Deutschland gibt es seit 2005 ein zentrales Kontoregister. „Es hat aber zwei bis drei Jahre gedauert, bis es dort so richtig funktioniert hat“, sagt Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer. Er schätzt, dass auch in Österreich der Aufbau eines Kontoregisters Jahre dauern würde. „Eine Umsetzung bis 1. Jänner 2016 ist nicht realistisch“, betont Rudorfer. Auch wäre der Aufbau ziemlich teuer. Es ist unklar, wer für die Kosten aufkommen soll.

5) Wie funktioniert die Kontoöffnung in Deutschland?
In Deutschland müssen alle Banken die Stammdaten aller Konten in einen Datenpool einspeisen. Dabei handelt es sich um die Nummer des Kontos, den Tag der Errichtung, den Namen und das Geburtsdatum des Inhabers und alle Verfügungs- bzw. wirtschaftlich Berechtigten des Kontos. Der Bürger kann sich dagegen nicht wehren. Die Einsichtsnahme erfolge allein nach Ermessen des Beamten, kritisieren Datenschützer. Die Banken werden darüber nicht informiert. Zuletzt wurde vermehrt in die Konten von Sozialhilfeempfängern (Hartz IV, Wohngeld und Studienbeihilfen) eingesehen. Die Abfragen sind in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert: von 9000 im Jahr 2005 auf mittlerweile 60.000 bis 70.000 Abfragen.

6) Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen noch geschaffen werden?
Derzeit ist das Bankgeheimnis im Bankwesengesetz geregelt. Eine Änderung ist laut einer Verfassungsbestimmung nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat möglich. Die Regierungsparteien benötigen somit die Unterstützung von FPÖ oder Grünen. Während FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine Zustimmung definitiv ausschließt, haben die Grünen Bereitschaft zu Gesprächen signalisiert.

>> Rechner: So viel bringt Ihnen die Steuerreform

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2015)

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