Deutschland: Millionen nehmen Aufputschmittel am Arbeitsplatz

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Wie ein Report der DAK-Gesundheit zeigt, betreiben Millionen deutscher Arbeitnehmer Hirndoping mit verschreibungspflichtigen Medikamenten.

Knapp dreiMillionen Beschäftigte in Deutschland haben sich nach einer Studie mit Medikamenten aufgeputscht, um den Leistungsdruck im Beruf besser zu bewältigen. "Doping amArbeitsplatz" nahm in den vergangenen sechs Jahren um zwei Prozentpunkte auf 6,7 Prozent der Beschäftigten zu. Vor allem Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten oder unsicheren Jobs gehören zu den Risikogruppen für den Medikamentenmissbrauch. Das geht aus dem Gesundheitsreport 2015 der DAK-Gesundheit hervor, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Für die repräsentative Studie wurde untersucht, ob und wie Erwerbstätige ohne medizinische Notwendigkeit zu verschreibungspflichtigen Medikamenten greifen.

Die deutsche Krankenkasse DAK geht von einer Dunkelziffer von bis zu zwölf Prozent aus, womit schon fünf Millionen Beschäftigte einmal leistungssteigernde oder stimmungsaufhellende Substanzen zum sogenannten Hirndoping missbraucht haben könnten. Knapp eine Million eigentlich gesunder Erwerbstätiger dope regelmäßig mit Medikamenten. Zu solchen verschreibungspflichtigen Leistungssteigerern zählen Medikamente zur Behandlung von Demenz, Depressionen oder Aufmerksamkeits- und Schlafstörungen.

Hochleistung und Stabilität

Die Motive sind unterschiedlich: würden Männer vor allem versuchen, noch leistungsfähiger zu werden, nehmen Frauen solche Medikamente am ehesten ein, um emotional stabil zu bleiben. Entgegen der landläufigen Meinung sind es nicht primär Top-Manager oder Kreative, die sich mit Medikamenten zu Höchstleistungen treiben, sondern auch Angestellte mit einfachen Tätigkeiten sowie Arbeiter.

Die Ergebnisse des DAK-Gesundheitsreports zeigen den Zusammengang: Je unsicherer der Arbeitsplatz und je einfacher die Arbeit selbst, desto höher ist das Risiko für Hirndoping.

Insgesamt werden zum Hirndoping am häufigsten Medikamente gegen Angst, Nervosität und Unruhe (60,6 Prozent) sowie Medikamente gegen Depressionen (34 Prozent) eingenommen. Etwa jeder achte Doper schluckt Tabletten gegen starke Tagesmüdigkeit. 11,1 Prozent nehmen Betablocker. Mehr als jeder Zweite bekommt für die entsprechenden Medikamente ein Rezept vom Arzt. Jeder Siebte erhält Tabletten von Freunden, Bekannten oder Familienangehörigen, jeder Zwölfte bestellt sie ohne Rezept im Internet (häufig riskante Medikamentenfälschungen).

Es gibt keine Wunderpille

Studie

Klaus Lieb, Facharzt und Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, warnt vor falschen Erwartungen und deren Folgen: "Eine Wunderpille gibt es nicht. Oft zeigen die Medikamente nur kurzfristige und minimale Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Demgegenüber stehen hohe gesundheitliche Risiken, wie körperliche Nebenwirkungen bis hin zur Persönlichkeitsveränderung und Abhängigkeit." Häufig auftreten würden Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafstörungen. Die Langzeitfolgen seien dagegen völlig unklar. Die DAK-Gesundheit ist mit 6,2 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands. Für Studie wurden Arzneimitteldaten von 2,6 Millionen erwerbstätigen Versicherten analysiert und zusätzlich mehr als 5000 Berufstätige im Alter von 20 bis 50 Jahren befragt. Hier geht's zur Studie.

(APA/dpa/red.)

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