Schulen: Deutschpflicht gegen Konflikte?

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Der Vorstoß einer Mödlinger Schuldirektorin sorgt für Aufregung. Tatsächlich haben mehrere heimische Schulen eine Deutschpflicht bereits diskutiert oder sogar ausprobiert.

Wien/Mödling. Ein Streit zwischen einer mazedonischen Putzfrau und einem albanischen Schüler – ausgetragen in deren jeweiligen Muttersprachen –, der auf eine eigentlich unbeteiligte Schülerin übergriff: Das war der Auslöser für ein Schreiben, mit dem die Direktorin einer privaten Handelsakademie in Mödling für einigen Wirbel sorgte. Konsequenz sollte ein Verbot aller Sprachen außer Deutsch sein.

Zwar pfiff der Schulbetreiber – die Wiener Kaufmannschaft – die Direktorin noch am selben Tag zurück. Die (politische) Debatte über Sinn oder Unsinn einer Deutschpflicht in der Pause bleibt aber. Während rote Schülervertreter die Idee als „rassistisch“ abstempeln, sind die Freiheitlichen angetan.

Befürworter nennen die Herbert-Hoover-Schule in Berlin, die die Deutschpflicht durchsetzte: „Jeder Schüler ist verpflichtet, sich im Geltungsbereich der Hausordnung nur in dieser Sprache zu verständigen“, heißt es. „So wird Konfliktpotenzial minimiert“, sagt der stellvertretende Leiter Michael Peschel. „Wenn einer jemanden in einer anderen Sprache anredet, und es klingt eigenartig, fühlt man sich womöglich auf den Schlips getreten.“

Sanktionen gibt es aber keine, lediglich Erinnerungen. „Wir wollen darauf hinwirken, dass wir eine Sprache sprechen müssen, um uns alle zu verstehen.“ Er halte es für einen richtigen Weg, deutlicher einzufordern, dass Deutsch die gemeinsame Sprache ist. Das müsse aber jede Schule entscheiden.

Pflichten und Empfehlungen

Tatsächlich ist auch in Österreich die Mödlinger Schule weder die einzige noch die erste, in der eine Deutschpflicht diskutiert wird. Vor knapp drei Jahren ging die Vorarlberger Mittelschule Lochau wegen eines solchen Vorschlags durch die Medien. Letztlich einigte man sich darauf, „dass im Beisein deutschsprachiger Schüler und Lehrer Deutsch gesprochen wird“, sagt Direktor Willi Schneider zur „Presse“. Und: Das habe eher Empfehlungscharakter.

Zumindest ein knappes Jahr lang fand sich eine Deutschpflicht in der Hausordnung des privaten Elisabethinums in St.Johann im Pongau – und zwar auf Wunsch der Schüler. Damals habe es in einer Klasse Tendenzen gegeben, sich in der Muttersprache zu unterhalten, was andere Schüler als unangenehm empfanden, sagt Direktorin Christina Röck. Inzwischen sei die Passage gestrichen worden. Es gebe keine Notwendigkeit mehr. Und der allgemeine Appell an einen „wertschätzenden Umgang“ in der Schule beinhalte implizit auch, dass in jener Sprache kommuniziert wird, die alle verstehen – also Deutsch.

Für Befremden sorgt eine Klassenordnung, die im Zuge des Mödlinger Deutschgebots in den sozialen Medien auftauchte: „In der Schule nicht Türkisch reden“, steht da – neben Regeln wie „Die Mitschüler nicht schimpfen“. Wer dagegen verstößt, muss pro Verstoß nach dem Unterricht fünf Minuten länger in der Schule bleiben.

„Diese Vereinbarung haben die Kinder einer ersten Klasse für ein gemeinsames, konfliktfreies Miteinander selbst erarbeitet“, so Herbert Nemetz, Direktor der NMS Herthgasse im zwölften Wiener Bezirk. Türkisch sei in der Klasse – abgesehen von Deutsch – die einzige Sprache, die von mehr als einem Schüler gesprochen werde. „Einige Kinder haben sich anscheinend ausgegrenzt gefühlt, wenn sich andere Kinder untereinander in ihrer Muttersprache unterhalten haben.“

Nemetz gibt zu, dass die Formulierung unglücklich wirke. „Man hätte es eventuell überarbeiten und besser formulieren können.“ Das werde in der Konferenz heute, Mittwoch, Thema sein. Er sagt aber auch: „Eine Vereinbarung, Deutsch zu sprechen, hat durchaus Sinn. Es gibt natürlich Konfliktpotenzial, wenn in Sprachen gesprochen wird, die nicht alle verstehen.“

Für wenig sinnvoll hält solche Regelungen jedenfalls die Migrations- und Bildungsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger: „Eine Deutschpflicht birgt die Gefahr, dass Schüler ihre Muttersprache als wertlos und störend erleben.“ Sie plädiert für eine differenzierte Herangehensweise. Dass in manchen Pausen beispielsweise jede beliebige Sprache gesprochen werden könne – und in anderen dafür ausschließlich Deutsch. „Dass es verschiedene Sprachen gibt, muss man aushalten können. Das ist ein wichtiger Lernprozess.“

Sprachverbot gar nicht legal

Ohnehin ist eine Deutschpflicht gar nicht rechtlich gedeckt. „Grundsätzlich muss man festhalten, dass ein Verbot der Muttersprachen in den Pausen gesetzlich nicht erlaubt ist“, heißt es aus dem Bildungsressort. Und Niederösterreichs Landesschulrat präzisiert: Eine solche Deutschpflicht könne man auch nicht in einer Schul- oder Hausordnung einführen. (beba)

AUF EINEN BLICK

Deutschpflicht. Am Mödlinger Standort der privaten Vienna Business School sollte nach Konflikten eine Deutschpflicht eingeführt werden. Das sollte auch für Pausen und für Telefonate gelten. Das entsprechende Schreiben der Direktorin sorgte am Montag für Wirbel. Der Schulbetreiber – die Wiener Kaufmannschaft – pfiff die Schulleiterin noch am selben Tag zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Meinung Bildung

Sprachverbot: Ein Zeichen der Hilflosigkeit

Schulen sollten die Schüler mitnehmen.
Schule

Deutschpflicht: Schulträger pfeift Direktorin zurück

Das Verbot aller anderen Sprachen außer Deutsch an einer Mödlinger Schule sorgte für Wirbel.
Schule

Wirbel um Deutschpflicht an Mödlinger Schule

Die Vienna Business School in Mödling will mit der Maßnahme Konflikte vermeiden. Anlass sei ein "interkultureller Konflikt" mit dem Reinigungspersonal gewesen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.