EU-Handelskommissarin schlägt ein Gremium aus staatlich ernannten Juristen statt privater Schiedsgerichte vor.
Brüssel. Die EU-Kommission reagiert auf die wachsende Kritik an den im Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) vorgesehenen privaten Schiedsgerichten. Die zuständige EU-Handelskommissarin, Cecilia Malmström, schlug am Mittwoch im Europaparlament Alternativen vor. Statt der bisher üblichen nicht staatlichen und wenig transparenten Gremien, die einen Streit zwischen Investoren und Staaten schlichten, soll künftig ein von allen Teilnehmerländern ernanntes Schiedsgericht treten. Malmström wollte nicht ausschließen, dass letztlich sogar ein multilaterales, ständiges Gericht geschaffen werden könnte. Jedenfalls soll auch ein Berufungsgremium eingerichtet werden.
Die Handelskommissarin wies darauf hin, dass ein Investorenschutz aus ihrer Sicht notwendig sei. Nur er kann Unternehmen vor der Willkür in ihrem Gastland schützen. „Es ist keine Frage, ob wir einen Investorenschutz brauchen, sondern nur, wie wir ihn gestalten“, so Malmström. Dies liege auch im europäischen Interesse. Denn die USA hätten zwar ein gut funktionierendes Rechtssystem, doch gebe es derzeit kein US-Gesetz, das die Diskriminierung von ausländischen Unternehmen verbiete.
Um Ängste vor einer Einflussnahme internationaler Konzerne auf die Gesetzgebung in der EU zu zerstreuen, will die Kommissarin in TTIP Garantien für die Teilnehmerstaaten festschreiben. Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung oder für deren Lebensbedingungen sollen explizit von Klagemöglichkeiten ausgeschlossen werden. Kein US-Konzern soll beispielsweise gegen einen Staat rechtlich vorgehen können, der neue Umwelt- oder Gesundheitsnormen erlässt. Anders wäre dies beispielsweise bei Ausschreibungen oder Wettbewerbsverzerrungen zugunsten heimischer Firmen. Solche diskriminierenden Maßnahmen – und seien sie gesetzlich gedeckt – könnten weiterhin vor dem Schiedsgericht eingeklagt werden.
Malmström will außerdem ausschließen, dass US-Unternehmen sowohl nationale Gerichte als auch die im Investorenschutz vorgesehenen Gremien (ISDS) befassen. „Wer das ISDS nutzt, muss dann alle Klagen von nationalen Gerichten zurückziehen.“
Die Mitglieder des Handelsausschusses im Europaparlament zeigten sich mit den Vorschlägen der EU-Kommission nur teilweise zufrieden. Mehrere Abgeordnete forderten die Schaffung eines eigenen internationalen Gerichts zur Streitbeilegung in Handelsfragen, andere einen generellen Verzicht auf den Investorenschutz.
Der EU-Gipfel, der heute in Brüssel beginnt, wird über einen raschen Abschluss der Verhandlungen mit den USA beraten. Die Gespräche sollen laut dem vorbereiten Schlussdokument schon dieses Jahr enden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2015)