Falsche Fälschung: Varoufakis Finger war echt

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Der deutsche Komödiant Jan Böhmermann narrte Deutschland für einen Tag. Er hat den Fingerzeig von Varoufakis nicht manipuliert, aber Günther Jauch und Deutschlands Medien vorgeführt.

Den genauen Durchblick hat kaum jemand. Darum ging es aber auch nie bei „Varoufake“, der Satireaktion, die seit Mittwochnacht die deutschsprachige Onlinewelt aufrührt. Auslöser war das kurze Video, in dem Griechenlands Finanzminister, Yanis Varoufakis, dabei zu sehen war, wie er während eines Vortrags Deutschland den Mittelfinger zeigte. Das lief Sonntagabend in der ARD bei Günther Jauch, und damit sollte Griechenlands negative Haltung zu Deutschland belegt werden. Varoufakis behauptete noch auf Sendung, das Video sei eine Fälschung. Die „Bild“-Zeitung nannte den Minister darauf einen Lügner und bebilderte den Artikel (erraten!) mit einem großen Mittelfinger.

In dieses Länderhickhack platzte Mittwochabend Jan Böhmermann seinerseits mit einem Video, in dem er behauptete, sein Team des „Neo Magazin Royale“ hätte das Originalvideo gefälscht und die ARD-Redaktion habe es ungefragt übernommen. Seltsam erschien, dass das Video von Varoufakis' Auftritt beim Subversive Festival in Zagreb im Mai 2013 erst am 12.Februar 2015 auf YouTube hochgeladen worden war, andere Videos der Konferenz aber schon lang online waren. Dass die Stinkefingerszene schon vor Wochen in einem satirischen Varoufakis-Lied von Böhmermann aufgetaucht war, ließ die These vom gefälschten Video wieder plausibel klingen.

Nun sieht es so aus, dass Varoufakis' Fingerzeig doch echt und Böhmermanns Video, in dem er den Fake erklärt, selbst ein Fake war. Die Organisatoren des kroatischen Festivals hatten schon am Montag bestätigt, dass das Video von ihrer Konferenz echt sei. Varoufakis' Geste sei damals im Rahmen der langen Diskussion nicht weiter aufgefallen, noch dazu, weil er im Konjunktiv verwendet wurde: „Wenn es so gekommen wäre, hätte man mit dem Finger auf Deutschland zeigen können.“ Jedenfalls hat Varoufakis offenbar doch gelogen, als er bei Günther Jauch behauptete, das Video sei manipuliert worden.

Interessanterweise fühlen sich nun alle Beteiligten dieser Medien-Politik-Posse bestätigt. „Bild“-Chef Kai Diekmann triumphierte und grüßte Varoufakis via Twitter erneut mit der „Lügner“-Geschichte aus seinem Blatt. Medienkritiker und Varoufakis selbst dagegen applaudieren Böhmermann. Was sie wohl genauso täten, wenn er das Video tatsächlich gefälscht hätte.

Ein Graben geht durch den Axel-Springer-Verlag: Während die „Bild“ gegen Varoufakis kampagnisiert und Böhmermann kritisiert, sieht die „Welt“ den Comedian nach dieser Aktion gar im Medienolymp. Außerdem könnte es sein, dass in dieser Affäre die öffentlich-rechtlichen Konkurrenten ARD (mit Günther Jauch) und ZDF (und Böhmermann) einen kleinen Krieg austragen.

Warnhinweis „Vorsicht, Satire!“

Applaus gebührt Böhmermann dafür, dass er in dem skurrilen Länderstreit klarmacht, dass es nicht um die Echtheit einer Geste, sondern um die Sensationsgier der Medien geht. Hätte sich die Redaktion von Entertainer Jauch die Mühe gemacht, den 57 Minuten langen Vortragsmitschnitt von Varoufakis genau anzusehen (und nicht auf Echtheit zu prüfen, was sie angeblich getan hat), hätte ihr auffallen können, dass Geste und Aussage harmlos waren. Stattdessen tat sie, was Böhmermann in seiner Sendung so auf den Punkt brachte: „Ihr habt das Video nicht gefälscht. Ihr habt es einfach nur aus dem Zusammenhang gerissen und einen griechischen Politiker am Stinkefinger durchs Studio gezogen, damit sich Mutti und Vati Sonntagabend nach dem Tatort noch mal schön aufregen können.“

Das ZDF erwägt nun übrigens, künftig bei allen „Neo Magazin“-Sendungen den Warnhinweis „Vorsicht, Satire!“ zu platzieren. Liest man. Wer weiß, ob's stimmt...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2015)

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