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Werbetrommel für das ungeliebte TTIP

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TTIP Proteste(c) imago/Xinhua (imago stock&people)
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Beim EU-Gipfel verpflichten sich die Staats- und Regierungschefs der Union dazu, den bei der Bevölkerung unpopulären Pakt mit Washington in ein besseres Licht zu rücken.

Brüssel. Dass die Art und Weise, in der mit dem Thema transatlantische Handelspartnerschaft TTIP umgegangen wurde, nicht unbedingt optimal gewesen ist, hat sich mittlerweile in Brüssel und den EU-Hauptstädten herumgesprochen. Nachdem der EU-Kommission, die im Namen der Unionsmitglieder mit den USA über TTIP verhandelt, die Themenführerschaft in wesentlichen Aspekten des Handelspakts entglitten ist, unternehmen die in Brüssel versammelten Staats- und Regierungschefs der EU am heutigen Freitag den Versuch, das Thema wieder einzufangen: „Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten sich verstärkt darum bemühen, die Vorteile des Abkommens zu vermitteln und den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu verbessern“, heißt es im Entwurf der Gipfeldeklaration. Soll heißen: Von nun an werden nicht nur die Brüsseler Beamten, sondern auch die nationalen Regierungen ein Loblied auf den transatlantischen Freihandel singen.

Die Zeit drängt, denn eigentlich soll das fix ausverhandelte Abkommen bis Jahresende vorliegen – im kommenden Jahr finden in den USA Präsidentschaftswahlen statt, was mit Stillstand in der US-Handelspolitik gleichzusetzen ist. Die EU erhofft sich von TTIP eine Steigerung der europäischen Wirtschaftsleistung um einen halben Prozentpunkt sowie 400.000 Arbeitsplätze. Das Problem ist nur, dass seit dem Beginn der Verhandlungen vor eineinhalb Jahren die Stimmung in Europa – jedenfalls in einzelnen Ländern – gekippt ist. Nach massiven Protesten sah sich die Kommission dazu gezwungen, das Verhandlungsthema Investorenschutz (ISDS) vorläufig auszuklammern. Im Rahmen der von Brüssel eingeleiteten öffentlichen Konsultation wurden rund 150.000 Stellungnahmen abgegeben – 97Prozent davon negativ. Kritiker der Schutzklauseln befürchten eine Aushöhlung der nationalen Normen: Intransparente Schiedsgerichte könnten dann den Konzernen nicht genehme Gesetze aushebeln, so die Befürchtung.

Besonders negativ ist die Stimmung in Österreich: Eine vor wenigen Wochen von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass 56Prozent der Befragten TTIP ablehnen und nur neun Prozent sie befürworten. Bundeskanzler Werner Faymann steckt damit in einem Dilemma: Einerseits sollte er ja, wie in Brüssel akkordiert, die Vorzüge von TTIP preisen, damit müsste er aber andererseits gegen den Strom der öffentlichen Meinung schwimmen. Um diesen Spagat zu schaffen, will Faymann beim heutigen Gipfel in Brüssel eine Erklärung zu Protokoll bringen, die der „Presse“ vorliegt. Demnach zweifelt Wien die Sinnhaftigkeit der Schutzklauseln „bei Abkommen mit Staaten mit entwickelten Rechtssystemen“ an und fordert abschließende Voten der nationalen Parlamente zu TTIP.

 

Nächste Runde Ende April

In der Zwischenzeit ist Handelskommissarin Cecilia Malmström auf die Bedenken der ISDS-Gegner eingegangen. Die EU will die Schiedsgerichte transparenter gestalten und eine Berufungsinstanz schaffen. Die Vorschläge laufen de facto auf eine Institutionalisierung der multilateralen Schiedsgerichtsbarkeit hinaus – was in Wien auf Zustimmung stößt. „Am besten wäre überhaupt ein entsprechender Schiedsgerichtshof in Europa“, sagte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gestern am Rande seines Besuchs bei Malmström. Ob die USA diesem Ansinnen zustimmen werden, ist allerdings noch ungewiss. Die nächste TTIP-Verhandlungsrunde findet Ende April in Washington statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2015)