Merkel verliert Geduld mit Griechenland

BELGIUM EU SUMMIT
BELGIUM EU SUMMITAPA/EPA/OLIVIER HOSLET
  • Drucken

Die Euro-Partner beharren darauf, dass Griechenland Reformzusagen einhält. Premier Tsipras deutet das nächtliche Treffen in Brüssel dennoch als Erfolg.

Würden Angela Merkel, François Hollande, Mario Draghi, Jean-Claude Juncker und Donald Tusk Stundenhonorare verrechnen, dann wäre das nächtliche Treffen mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras am Rand des EU-Gipfels in Brüssel das wohl teuerste Coaching in der jüngeren europäischen Geschichte. Gute drei Stunden haben die deutsche Bundeskanzlerin, ihr französischer Kollege sowie die Chefs von EZB, EU-Kommission und -Rat mit Tsipras verbracht, um ihm ein weiteres Mal zu erklären, dass an der Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern Griechenlands kein Weg vorbeiführe – und dass er rasch handeln müsse, um ein Ausscheiden seines Landes aus der Eurozone zu verhindern.

Grundlage aller eventuellen Hilfszahlungen sei die Übereinkunft der Euro-Finanzminister vom 20. Februar, stellte Merkel in der Nacht zum Freitag klar: An der Substanz sei „kein Deut geändert“ worden. Soll heißen: Bevor Geld nach Athen fließt, muss die griechische Regierung eine detaillierte Liste mit beabsichtigten Reformen vorlegen, die nicht dem laufenden, gut 170 Milliarden Euro schweren Hilfsprogramm zuwiderlaufen. „Ich hoffe, dass die spezifisch ausformulierte Liste bald kommt“, sagte Merkel.

Das Kommuniqué der EU-Granden wurde in Athen sogleich kreativ umgedeutet. Wenn die Aufstellung nach Brüssel übermittelt worden sei, würden die Mittel freigegeben, sagte ein Regierungssprecher gestern. Es ist eine Interpretation, die nicht Merkels Worten entspricht. Denn darüber, ob die Griechen ihren Verpflichtungen nachkommen, haben die Euro-Gruppe und die Troika der internationalen Geldgeber (EU-Kommission, EZB und IWF) zu befinden. Einen Automatismus, wie ihn Tsipras sich erhofft, gibt es also nicht, und zwar nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Griechen keinerlei Anzeichen erkennen haben lassen, ihren Partnern entgegenzukommen. Die vorliegenden Reformvorschläge von Finanzminister Yanis Varoufakis werden in Brüssel nicht ernst genommen, während Experten der Troika in Athen an ihrer Arbeit gehindert wurden.

Nicht einmal auf einen Kassasturz konnten die Konfliktparteien sich bis dato verständigen. Das nächtliche Treffen sei nicht dazu geeignet gewesen, genauen Einblick in die finanzielle Situation der Griechen zu erhalten, gab Merkel zu. Klar ist jedenfalls, dass Griechenland die Zahlungsunfähigkeit droht – Ende März, wenn Pensionen und Beamtengehälter ausgezahlt werden müssen, oder spätestens im Mai, wenn die nächsten substanzielleren Kreditrückzahlungen fällig werden. Die Renditen für zehnjährige griechische Staatsanleihen kletterten nach dem Brüsseler Treffen weiter nach oben.

("Die Presse", Printausgabe vom 21.3.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.