Denke global, aber schröpfe die Leute lokal

Vergelt's Gott, Herr Bundeskanzler. Ein paar realsatirische Anmerkungen zur größten Steuerreform aller Zeiten.

Unser aller Werner Faymann schwärmt seit Tagen aus, um von der größten Steuerreform aller Zeiten zu schwärmen. Zum GRÖRAZ mutiert, ist er fest entschlossen, seiner Botschaft den richtigen Drall, neudeutsch Spin, zu geben. Doch Undank ist der Wähler Hohn, aber nach einigen Jahren Kanzlerschaft steht Faymann endgültig als einer da, den niemand auf die Hochzeit zu Kanaan einladen würde, da es ihm, wie man mit Recht fürchtet, locker gelänge, aus teurem Wein simples Wasser zu machen und es als Champagner auszugeben.

Sein Amtsvorgänger immerhin kannte noch den Unterschied zwischen diesen Flüssigkeiten einerseits und den zwischen Breitners Luxussteuern und Faymanns Millionärssteuer andererseits. Wer wie Faymann zuerst einen Hochseilakt ohne Netz ankündigt, hat jeden Kredit verloren, wenn er dann mühsam und wenig elegant am 15 Zentimeter hohen Küchenschemel balanciert, während im Hintergrund die Arbeitersamariter lauern, um im sicher eintretenden Fall des Falles unverzüglich lebensrettende Maßnahmen im Boulevard einleiten zu können. Faymann als Meister der euklidischen Quadratur des Quadrats, der die Wirkung der Krümmung des Raumes (insbesondere des politischen) bis heute nicht überrissen hat.

Die ungeschorenen Reichen

Oder sollte doch die Quadratur des Kreises geglückt sein? Immerhin ist es gelungen, eine Reichensteuer anzukündigen und dann ausgerechnet die Superreichen ungeschoren zu lassen. Da krümmt sich der politische Raum, dass Einstein seine Freude hätte! Obgleich sogar ein wunderbarer Beweis gelungen ist: Auch wenn man die Reichen melkt, schauen nur überschaubare Beträge heraus. Denn die endlose Horde von Reichen, die über Österreich hinwegtrampelt, besteht aus 418 Personen, die dank neuen Spitzensteuersatzes in ihrer Existenz bedroht sind. Ein Fall für den Artenschutz.

Immerhin, die Ärmeren unter ihnen – auch unter den Reichen ist Gleichheit ein selten erreichtes Ideal – müssen jetzt jedes Jahr auf den Kauf eines der preisgünstigeren Patek-Philippe-Modelle verzichten, um über die Runden zu kommen, während die betuchteren Gstopftn die Gürtel ihrer Dienstboten enger schnallen müssen, womit sich Letzteren der tiefere Sinn von mehr netto auch nicht wirklich erschließen wird. Das alles fettet die Staatseinnahmen um stolze 50 Millionen auf. Vergelt's Gott!

Unser Robin Hood vom Ballhausplatz sollte mal wieder Richtung Sherwood Forest aufbrechen und einige Übungsstunden im Bogenschießen absolvieren, zwecks Erhöhung von Treffsicherheit und Ausbeute. Denn was nützt es, wenn man den Bärenschinken jagt und die Waldmaus erlegt?

Der Molterer-Pröll-Fekter-Spindelegger-desillusionierte steuerehrliche Staatsbürger sieht staunend, dass man höheren Ortes plötzlich munkelt, es gäbe zahlungselastische Steuerpflichtige. Halali, auf sie mit Gebrüll!

So wurde man Zeuge eines zügigen Lernprozesses eifriger rot-schwarzer Reformer. Täglich lüfteten sie den Schleier ein wenig mehr, hinter dem sich die Steuerallergiker seit Jahrzehnten unentdeckt tummeln, und steigerten den einzutreibenden Betrag innert einer Woche von unter 900 Mille beherzt auf 1,9 Milliarden. Da sage einer, Politiker seien nicht lernfähig.

Der kleine Hackler atmet auf: Er ahnte immer, dass der Chef die Registrierkasse unorthodox bedient. Doch seufz! Wenn die Finanz jetzt dank orthodoxer Handhabung die wahren Umsätze erfährt, dann werden Heulen und Zähneknirschen sein. Dann – so folgert der steuerlich nicht so firme Lohnabhängige – drohen wohl Nachzahlungen, mindestens fünf Jahre zurück wird die wahre Steuerschuld geschätzt.

Bald ein neues Sparpaket

Da kommt etwas zusammen, der Chef wird zahlungsunfähig und straffällig. Also Pleite. Also weg der Arbeitsplatz. Keine Einnahmen für den Staat. Der Chef wandert nach dem Finanzstrafverfahren in den Häfn. Auch kein Geschäft für den Staat, sondern Kosten, Kosten, Kosten. Aber immerhin: Die erhöhen das BNP! Man freut sich auch über kleine Wachstumsschübe. Wenn die Rentner noch ihre zehn Euro verprassen ...

Insgesamt aber nichts Neues im Westen: Demnächst ein neues Sparpaket, über das niemand sich wundern wird – man lukriert ja nicht zum ersten Mal mehr netto vom Brutto. Es tut jedes Mal weniger weh. Der gelernte Steuerzahler weiß: Traue keiner Schmerzlinderung, der nächste Hammer saust schon herunter. Die kalte Progression werkt jetzt nicht nur beim Einkommensteuertarif, sondern auch bei der Grunderwerbsteuer. Immerhin steigert die Erhöhung der USt. die Inflation um 0,1 Prozent, ganz im Sinne der Deflationsbekämpfung der EZB. Hier wäre mehr möglich gewesen!

Eine Reise nach Brüssel

Mein Greißler, laut Eigendefinition ein steuerehrlicher Blödmann, erwägt eine Reise nach Brüssel zum steuererfahrenen Juncker. Vielleicht ginge da ein Deal: Er, der kleine Greißler, zahlt wie Apple & Co. ein Prozent Steuer vom Gewinn und redet nicht mehr darüber. Ob er vorher mit dem Hans Jörg Schelling sprechen soll, wollte er von mir wissen.

Keine gute Idee, war mein Einwand. Denn käme die Regierung dahinter, dass da viel Geld zu holen ist, würde sie gar überlegen, statt den Mittelstand zu schröpfen bei diesen Konzernen jene Steuern einzuheben, die man jedem österreichischen Betrieb abverlangt. Dann würde aus dem angedachten Deal nichts werden. Ich habe ihn angeflunkert, denn nichts liegt der Bundesregierung inklusive ihrer roten Sozialfighter ferner, als diesen Konzernen in die Bankkonten zu schielen (Mitterlehner 2013: „Das Bankgeheimnis wird eher überbewertet und bleibt!“) oder gar ins Börserl zu greifen. Das wäre nämlich harte Arbeit in Brüssel.

Dazu die Fahrtkosten und die Abgase – ein ökonomisch-ökologischer Wahnsinn! Denke global und schröpfe lokal! Wozu denn in die Ferne schweifen – oder wie die Roten sagen: Gneixendorf ist das neue International. Ich habe dem Greißler geraten, die Branche zu wechseln. Immo-Gutachter sei jetzt angesagt, vermutlich ein mobiles Gewerbe ohne Registrierkassenpflicht.

Wählertäuschung gelungen

Irritierte Mittelständler tröste ich mit einem Folder der ÖVP: „Die ÖVP hat gekämpft und im Sinne der ... Eigenheimbesitzer ... keine Vermögensteuern durch die Hintertür ... keine Mehrbelastung bei Weitergabe von Grundstücken im Familienverband ... moderate Steuerlast auf Basis des dreifachen Einheitswertes ... keine teure Gutachtenerstellung ...“. Kleiner Haken: Es geht um die letzte Grunderwerbsteuer-Erhöhung Mitte 2014. Auf Gurkengläsern steht wenigstens ein Ablaufdatum.

Trotzdem ist Lob fällig. Der Regierung gelang es, die Wähler zu foppen: zuerst ein paar Kröten bar aufs Handerl, abkassiert wird später. Die humorlos-realistische Reaktion: Nur 25 Prozent zählen sich zu den Gewinnern. Und H.-C. Strache. Er kassiert die Differentialrente als Dividende – steuerfrei! Sag, wie macht das unsere Regierung?

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Michael Amon
(*1954 in Wien) lebt als freier Autor in Gmunden und Wien. Der Romancier und Essayist ist außerdem geschäftsführender Gesellschafter einer kleinen Steuerberatungskanzlei. Zuletzt erschienen zwei Bücher von ihm: „Panikroman“, sowohl Psychogramm eines Börsenhändlers als auch der Finanzmärkte, und „Nachruf verpflichtet“ als Band drei der „Wiener Bibliothek der Vergeblichkeiten“. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2015)

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