Der Teilzeitsoldat

Man sollte das Bundesheer weder krank- noch schönreden, sondern alles tun, um eine sinnvolle, leistungsfähige und ökonomische Lösung für unsere Verteidigungsbereitschaft vorzunehmen.

So könnten wir unsere Auslandseinsätze ohne Miliz nicht in der üblichen Qualität durchführen...“, meinte Verteidigungsminister Norbert Darabos in einem „Presse“-Interview (20.März). Fürwahr eine richtige Aussage. So weit, so gut. Sehr fraglich hingegen ist die allgemeine Situation des Bundesheeres und insbesonders die tatsächliche Situation der für Einsätze beorderten Reservisten – in Österreich „Miliz“ genannt.

Auf den Hinweis, dass es aufgrund tatsächlich fehlender Meldungen in ein paar Jahren kaum eine Miliz für Auslandseinsätze mehr geben wird, gab sich der Verteidigungsminister im „Presse“-Interview erstaunlicherweise zufrieden: „Die Zahlen sind nicht so alarmierend, dass man sagen kann, es meldet sich niemand zur Miliz.“ Die Worte eines sehr bescheidenen Ministers!

Zur Möglichkeit, die katastrophal geringe Zahl von Neumeldungen durch Anwendung der gesetzlichen Möglichkeit der Zwangsverpflichtung von zwölf Prozent eines Einrückungsjahrganges auszugleichen, meinte der Minister, dass er dies für keine sinnvolle Maßnahme hält. Hier muss man dem Minister recht geben, da es im Zusammenhang mit der erfolgten sechs plus null Monate dauernden Wehrpflicht eine Wehrungerechtigkeit bedeuten würde, die genannten zwölf Prozent junger Männer nach Abschluss der sechs Monate zwangsweise einzuberufen.

Berufs- und Reservekomponente

Ein sehr hochrangiger, pragmatischer und zukunftsorientierter Offizier meinte vor einiger Zeit, dass das Bundesheer zur Bewältigung seiner Aufgaben im In- und Ausland logischerweise aus zwei Komponenten bestehen müsse: nämlich aus einer qualitativ hochstehenden kleinen Berufskomponente und aus einer gleichfalls qualitativ hochstehenden größeren Reservekomponente. Dieser Personalmix ist die finanziell günstigste Lösung, da man diese leistungsfähige Reservekomponente (Profimiliz) – im Gegensatz zu den Berufssoldaten – nur bei den tatsächlichen Übungen und Einsätzen zu entlohnen hätte.

Aufgrund der erfolgten Reduktion der verpflichteten Wehrdienstzeiten auf sechs plus null Monate wird logischerweise (null ist gleich null) keine verpflichtete Reserve (Milizkomponente) aufzubauen sein. Auch die (im Rahmen der Wehrpflicht) rechtlich mögliche Einberufung zu einigen wenigen Übungen ist politisch kaum denkbar. Eine formierbare „Miliz“ (eine leistungsfähige Reservekomponente) ist damit sicher nicht aufzubauen.

Daher bleibt als Lösungsansatz ein klares und pragmatisches Konzept zur Schaffung von freiwilligen Reservisten (nach österreichischer Diktion: freiwillige Miliz), die in personalrechtlicher Hinsicht keine Präsenzdiener sind, sondern einen dienstrechtlichen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium eingehen und ihren damit eingegangenen dienstrechtlichen Verpflichtungen in Form einer (in Ergänzung zu ihrem „Zivilberuf“) nebenberuflichen Teilzeitbeschäftigung beim Bundesheer nachgehen.

Diese nebenberuflichen Teilzeitsoldaten (aller Dienstgrade und Verwendungsebenen) der aufzustellenden Reservestreitkräfte müssen natürlich aliquot entsprechend ihres Dienstgrades und ihrer tatsächlichen Dienstzeiten entlohnt werden. (Sogenannte Attraktivierungen und Anreize reichen hier keinesfalls!)

Jährlicher Mindestansatz – nach internationalem Standard – ist eine Wochenendübung im Reserveverband pro Monat sowie eine zehntägige Übung bzw. ein zehntägiger Einsatz. Weitere Einsatzformen gilt es gesetzlich abzusichern. Somit wäre zusätzlich zum Zivilberuf – zumindest – ein weiteres (15.) Monatsgehalt mit allen Sozialleistungen inklusive voller Pensionsanrechnungen vorzusehen. Die hohe Übungsfrequenz würde die Aufstellung von wirklich professionalisierten Einheiten und sogar Verbänden ermöglichen. Man kann diese Teilzeitsoldaten sowohl als Einzelperson sowie in Form von Personalmodulen in größeren Organisationsformen zur kostengünstigen Verstärkung z.B. der aktiven Brigaden als auch in Form von eigenen voll strukturierten Reserveverbänden (z.B. Bataillonen) nutzen.

Die Professionalisierung liegt also nicht nur in der weit intensiveren Ausbildungsfrequenz und in der weit intensiver organisierten Nutzungsmöglichkeit, sondern auch im Vertragsverhältnis mit dem Verteidigungsministerium.

Objektive Lagebeurteilung nötig

Es gilt also, das Bundesheer nicht krank- bzw. schönzureden, sondern eine objektive Lagebeurteilung vorzunehmen und alles zu tun, um eine sinnvolle, leistungsfähige und ökonomische Lösung für unsere Verteidigungsbereitschaft – auch im Rahmen der Europäischen Union – vorzunehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2009)

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