Ärztestreit: Patt in der Geldfrage

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Nach der Demo am Montag kam es am Dienstag zu einer vorsichtigen Annäherung zwischen Stadt und Ärztekammer. Um das Gehalt wird aber weiter gestritten.

Wien. Ist nach der Demo vor der Demo? Nach dem Ärzteprotest Montagabend setzten sich gestern, Dienstag, Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) und die Ärztevertreter wieder zu Gesprächen zusammen, die am späten Nachmittag ohne fixes Ergebnis endeten. Die Stimmung sei konstruktiv gewesen, heißt es. Donnerstagabend will man weiterreden. Annäherung gab es bei den Arbeitsbedingungen und den Arbeitszeiten, dafür weiter Dissens in den Gehaltsfragen. Und auch sonst ist vieles offen:

1 Wie wollen Stadt und Ärztekammer nun weiter vorgehen?

Sonja Wehsely hat es eilig. Wegen der Wien-Wahl im Herbst will sie das Thema rasch vom Tisch haben. Mit Juli tritt auch das neue Arbeitszeitgesetz in Kraft. Wehsely hat bisher einen harten Ton angeschlagen und zeigte sich entschlossen, das neue Gehaltsschema diesen Freitag im Landtag absegnen zu lassen. Allerdings kann die Wiener SPÖ verärgerte Ärzte und Patienten im Wahljahr nicht brauchen. Die Ärztevertreter wollen jedenfalls echte Nachbesserungen: Sie fordern, dass weniger Stellen abgebaut werden, und dem Vernehmen nach wollen sie eine Nachtdienstzulage von 200 Euro, was circa 17 Millionen Euro pro Jahr kosten würde.

2 Wer spricht denn jetzt eigentlich für die Wiener Ärzte?

Innerhalb der Ärztekammer wurde Präsident Thomas Szekeres nach der verlorenen Urabstimmung quasi entmachtet. Mit den weiteren Verhandlungen betraute die Spitalsärztekurie ein neues Team, das von Kammer-Vizepräsident Hermann Leitner angeführt wird. Zeitgleich startete Szekeres auf eigene Faust eine Kampagne, in der er – über die Website notstandspital.at – vor dem Kollaps des Spitalswesens warnt und zu Widerstand aufruft. Weder im Büro Wehsely noch kammerintern kam das gut an: Mitten in den Nachverhandlungen sei das kontraproduktiv. Im Impressum der Website steht deshalb nicht die Ärztekammer, sondern der Verein Rettet das AKH. Dessen Obmann: Thomas Szekeres.

3 Was ist der Stand der Dinge bei den AKH-Verhandlungen?

Eine Einigung steht noch aus. Verhandelt wird auf zwei Ebenen: Für die Ärztegehälter ist das Ministerium zuständig. Die Zusatzkosten, die durch die neuen Arbeitszeiten entstehen, will Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner mit Reserven abdecken. Offen ist, wie AKH-Betriebsrat Martin Andreas berichtet, die Finanzierung des laufenden Jahres. Auf der anderen Ebene, jener des nicht ärztlichen Personals, das von der Stadt bezahlt wird, wird am Donnerstag weiter verhandelt. Der Betriebsrat verlangt rund 60 neue Stellen, 40 Pfleger und 20 Stationssekretäre. Wehsely wollte den Gesprächen nicht vorgreifen. Fest steht: Auch am AKH wird es eine Urabstimmung geben.

4 Warum melden sich die Wiener Ordensspitäler zu Wort?

Die Ordensspitäler behandeln etwa 20Prozent aller Spitalspatienten. Die neue Arbeitszeitregelung, so hat man errechnet, würde zu einem Mehraufwand von elf Mio. Euro für 2015 führen und 9,9 Mio. für 2016. Dafür will man Unterstützung von der Stadt Wien. Die aber ihrerseits irritiert reagierte. Die Ordensspitäler, so heißt es aus dem Wehsely-Büro, seien zwar wichtige Partner, mit denen man langfristige Finanzierungsvereinbarungen habe, aber auch sie müssten sich an den Kostendämpfungspfad der Gesundheitsreform halten. Und: Die Stadt zahle zwar für Leistungen, sei aber nicht für die internen Kosten (Gehälter, Diensteinteilung) zuständig.

5 Was bedeutet der Streit um die Ärztearbeitszeit für die Patienten?

In einem offenen Brief wandten sich gestern drei Minister, die Wiener Gesundheitsstadträtin und weitere offizielle Akteure an die Bundesärztekammer. Die Ärzte, so der Appell, sollten durch Aussagen zu „drohenden Leistungseinschränkungen“ nicht den Menschen das Gefühl vermitteln, dass das „sehr gute Gesundheitssystem“ in Gefahr sei. Denn dass stimme nicht. Was aber würde passieren, wenn die Ärzte Ernst machten und Dienst nach Vorschriften leisteten? Die Auswirkungen wären schnell fühlbar, sagt Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Zwar würde im Ernstfall natürlich geholfen, nicht nötige OPs würden hingegen verschoben, und die Ambulanzen würden leichtere Fälle abweisen. Diese landeten dann im niedergelassenen Bereich – so sie dort einen Termin bekommen. Ein „Streik“ würde aufzeigen, wie überlastet die Ambulanzen sind. Und: „Vielleicht muss es eine Eskalation geben, damit Dinge angegangen werden.“

6 Wie laufen die Verhandlungen in den anderen Bundesländern?

Nach heftigen, fast sechs Monate dauernden Verhandlungen mit einigen Abbrüchen dürfte es in Kärnten nun doch zu einer Lösung kommen. Denn die Primarärzte stimmten am Montag zu, dass ein Teil der Sonderklassegebühren künftig an die Jungärzte geht. Generell werden die Grundgehälter im Schnitt um 15 Prozent angehoben. Heute, Mittwoch, soll der Pakt zwischen Ärztevertretern und Landeshauptmann Peter Kaiser besiegelt werden. Neben Wien stünde dann nur noch im Burgenland eine Einigung aus.

>>> Offener Brief an Präsident Wechselberger

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2015)

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