Die ökonomischen Folgen der Katastrophe

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Neben menschlichem Leid können Flugzeugabstürze auch zu großen wirtschaftlichen Schäden führen. Die Angehörigen der Opfer sind zumindest finanziell abgesichert.

Wien. Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine waren alle Gedanken bei den Opfern und Hinterbliebenen. Zu ökonomischen Folgen wollte sich die Luftlinie zunächst nicht öffentlich äußern. Und doch wirft die Tragödie eine ganze Reihe von wirtschaftlichen Fragen auf: Wer trägt die Schäden? Wer entschädigt die Angehörigen der Absturzopfer? Wie kann die Fluggesellschaft den Verlust der Maschine kompensieren? Die größten ökonomischen Schäden können aber in jenem Bereich entstehen, der gar nicht versicherbar ist – und zwar im Vertrauen künftiger Passagiere in die Sicherheit einer Fluglinie.

Haftung von 141.000 Euro

Die Angehörigen der Opfer sind bei einem Absturz zumindest finanziell einigermaßen durch internationale Abkommen abgesichert. In den EU-Ländern ist die Basis dafür in der Regel das sogenannte Montrealer Abkommen von 2001 (der Nachfolger des Warschauer Abkommens von 1929). In diesem sind neben Entschädigungsleistungen für verlorenes oder verspätetes Fluggepäck auch Zahlungen im Fall des Todes eines Passagiers festgelegt. So gibt es für die Fluggesellschaft pro Fluggast eine Haftung von bis zu 113.100 IWF-Sonderziehungsrechten unabhängig davon, ob die Fluglinie am Absturz schuld ist oder nicht. Diese Sonderziehungsrechte sind eine fiktive Währung, deren aktueller Kurs bei etwa 1,25 Euro je Sonderziehungsrecht liegt. Pro Person ergibt sich so ein Betrag von 141.000 Euro. 20.000 Euro davon müssen laut EU-Regeln auch innerhalb von zwei Wochen überwiesen werden, damit die Angehörigen etwa Begräbniskosten decken können.

Lauda-Absturz: Boeing zahlte

Gibt es bei der Fluggesellschaft oder dem Hersteller des Flugzeuges jedoch ein schuldhaftes Verhalten, das zu dem Absturz geführt hat, sind die Haftungsansprüche der Angehörigen quasi unbegrenzt. Entscheidende Grundlage sind dann meist die nationalen Gesetze betroffener Länder. So zahlte etwa der für den Absturz der Lauda-Air-Maschine im Jahr 1991 verantwortliche US-Konzern Boeing damals 270 Mio. Schilling (19,6 Mio. Euro), um Klagen nach dem US-Produkthaftungsgesetz zu entgehen. Dieses Geld wurde in der Folge nach einem eigenen Schlüssel aufgeteilt. Eine Situation, die zu einer Reihe „pietätlosen Streits“ unter Angehörigen führte, wie ein Wiener Anwalt 1992 zur „Presse“ sagte.

Neben den Angehörigen der Opfer bedeutet der Absturz eines Flugzeuges aber auch für die Fluggesellschaft einen großen Schaden. Außer der Haftung sind dies in erster Linie einmal die Kosten für den Ersatz des zerstörten Flugzeuges. Moderne Flugzeuge haben schnell einen Wert in dreistelliger Millionenhöhe. Allerdings sind die Eigentümer häufig Leasinggesellschaften, die ihre Maschinen wiederum versichert haben. Der Versicherungswert liegt dabei laut Experten fast immer beim Neuwert, auch wenn es sich bereits um ältere Maschinen handelt. Die meisten direkten Kosten bleiben daher an den Versicherungen hängen. Im Fall des Germanwings-Fluges soll es sich laut Angaben der Nachrichtenagentur Reuters um die Allianz handeln.

Darüber hinaus gibt es aber auch noch indirekte Kosten, die eine Fluglinie langfristig teuer zu stehen kommen können. Und zwar in Form eines Vertrauensverlusts bei Passagieren. So führte etwa der Absturz der Air-France-Maschine AF 447 im Jahr 2009 vor Brasilien zu einem wochenlangen öffentlichen Streit zwischen Piloten und Management. Die Folge waren eine ganze Reihe an negativen Schlagzeilen und ein Rückgang bei den Buchungen.

Malaysia aus Bahn geworfen

Noch wesentlich drastischer ist der Fall von Malaysia Airlines aus dem Vorjahr. Die Fluglinie verlor im März eine Maschine mit 239 Menschen an Bord im Indischen Ozean, die immer noch nicht gefunden wurde. Im Juli wurde ein weiteres Flugzeug mit fast 300 Passagieren an Bord über der Ostukraine abgeschossen.

Die bereits zuvor nicht sonderlich gesunde Airline wurde durch diese doppelte Katastrophe endgültig aus der Bahn geworfen. Schon im August musste der malaysische Staatsfonds Khazanah über 400 Millionen Dollar in die Hand nehmen, um die Fluglinie von der Börse zu nehmen. Seither wird ein harter Sanierungskurs gefahren, der 1,4 Milliarden Dollar kosten soll und dem 6000 der 20.000 Jobs bei der Fluglinie zum Opfer fallen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2015)

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