Ihor Kolomojskyi, Milliardär und bisher Gouverneur des Gebiets Dnjepropetrowsk, unterliegt im Machtkampf.
Wien/Kiew. In dunkelblauem T-Shirt und Karo-Sakko saß Ihor Kolomojskyi dem Präsidenten am runden Holztisch gegenüber und nahm seine Entlassung entgegen. „Ich bin überzeugt, dass Sie ein Patriot der Ukraine bleiben“, sagte Petro Poroschenko. Kolomojskyi, geknickt und kleinlaut, antwortete nur: „Danke für die Zusammenarbeit.“
Die auf Video festgehaltene kuriose Szene ist das vorläufige Ende eines Machtkampfes, in dem der Präsident die Oberhand behalten hat. Kolomojskyi – 1,8 Milliarden Dollar schwerer Geschäftsmann, Jude, Hassobjekt der Kreml-Propaganda und bis Dienstagnacht Gouverneur des Dnjepropetrowsker Gebiets – ist seinen Job los. Offenbar wurde er Kiew zu mächtig. Durch Kolomojskyis Wegfall verliert die ukrainische Regierung auch eine einflussreiche und finanzstarke Persönlichkeit, die die Politik Kiews in der Grenzregion zum Konfliktgebiet im Donbass unterstützt hat. Zum neuen Gebiets-Chef wurde Valentin Resnitschenko ernannt, bisher Gouverneur von Zaporischija.
Seit der Vorwoche konnte die ukrainische Öffentlichkeit die Konfrontation zwischen Lokalherrscher Kolomojskyi und der Zentralgewalt mitverfolgen. Gar nicht kleinlaut war Kolomojskyi am vergangenen Donnerstag, als er Bewaffnete des von ihm finanzierten Freiwilligenbataillons Dnjepr-I in das Büro des Ölkonzerns Ukrtransnafta schickte. Auch er selbst erschien, verfluchte einen Journalisten vom Radio Freies Europa und schaffte Papiere aus dem Gebäude. Ein Videoteam des Freien Europa durfte nun das nächtliche Treffen zwischen Präsident und Oligarch mitfilmen – offenbar als Entschädigung. Kolomojskyis Einfluss über Ukrtransnafta drohte zu schwinden: Der Aufsichtsrat des Staatsunternehmens, das Pipeline-Infrastruktur unterhält, hatte einen neuen Chef gewählt. Der bisherige Vorsitzende, Oleksandr Lazorko – er galt als Vertrauter Kolomojskyis –, war abgewählt worden. Dieser sprach von einer „feindlichen Übernahme“.
„Kreuzzug gegen die Oligarchen“
Auch im Fall des Ölkonzerns Ukrnafta sind Geschäftsinteressen Kolomojskyis berührt. Das Unternehmen, an dem der Staat die Mehrheit und Kolomojskyi Minderheitsanteile hält, soll den Raffinerien des Unternehmers laut Wochenzeitung „Zerkalo Nedeli“ jahrelang Öl unter dem Marktpreis verkauft haben. Als Minderheitsaktionär konnte Kolomojskyi bei Ukrnafta bisher eine Änderung der Geschäftspraktiken verhindern. Nun hat das Parlament jedoch ein Gesetz erlassen, wonach Aktionäre schon bei mindestens 50 Prozent der Stimmrechte eine Entscheidung über den Chefposten fällen dürfen. Auch bei Ukrnafta dürfte der Einfluss des Unternehmers künftig schrumpfen.
Der frühere Journalist und Abgeordnete Mustafa Najem, der für Poroschenkos Block im Parlament sitzt, begrüßte das Vorgehen der Behörden: „Dies muss der Anfang sein für den Kreuzzug gegen den Einfluss aller Oligarchen auf die Politik und ihre Bereicherung auf Kosten staatlicher Ressourcen.“ Auch Präsident Poroschenko, selbst Eigentümer von Süßwarenproduktion, Rüstungsunternehmen und Medien, wird kritisiert, weil er seine Besitzungen nicht wie versprochen abgegeben hat. Unterdessen scheint Kiew nach außen hin den Eindruck eines Saubermachens vermitteln zu wollen. Gestern wurden mitten aus einer Regierungssitzung heraus Chef und Vizechef des Katastrophenschutzkomitees unter laufenden Kameras verhaftet. Diese Zurschaustellung mutmaßlicher Verbrecher kannte man bisher eher von russischer Seite.
Offen ist, ob die Regierung durch die Absetzung Ihor Kolomojskyis auch seine Unterstützung im Krieg gegen die Separatisten verloren hat. Gäbe Kolomojskyi – anders als von Poroschenko gewünscht – seine patriotische Haltung auf und wechselte die Seiten, bedeutete das eine weitere Destabilisierung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)