Walter Strolz: "Ich brauche keine Anerkennung"

Walter Strolz
Walter Strolz(c) BMI
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Als „Held von Galtür“ wurde Walter Strolz für eine gefährliche Rettungsaktion nach dem Lawinenunglück gefeiert. Ein Wendepunkt in seinem Leben war der Tod eines Kollegen bei einer Rettungsübung.

"Als wäre es gestern gewesen": Die Ereignisse des 24. Februar 1999 haben sich tief in das Gedächtnis von Walter Strolz eingebrannt. Beim Lawinenunglück von Galtür war er als Hubschrauberpilot im Einsatz. Flog von Landeck nach Galtür, um Hilfskräfte und Material an den Unglücksort zu bringen. „Etwa um 16 Uhr musste der Flugbetrieb wegen starken Schneefalls wieder eingestellt werden. Ich hatte die Idee, mit meinem Hubschrauber in Galtür zu übernachten, um dort zu helfen. Die Einsatzzentrale genehmigte dieses Vorhaben“, erinnert sich Strolz.

Gerade als er in das Paznauntal einflog, ging im Nachbarort von Galtür eine weitere Lawine ab, die zehn Menschen verschüttete. Trotz schlechten Wetters riskierte Strolz den Flug ins fünf Kilometer entfernte Valzur – wo er wenige Minuten nach dem Unglück eintraf. „Ich habe zunächst meinen Kollegen auf dem Lawinenkegel abgesetzt und nach und nach 60 Helfer mit Lawinenhunden und Material an den Unfallort geflogen.“ Danach schien der Tag gelaufen, Strolz stellte seinen Hubschrauber in Galtür ab. Bis um 18 Uhr die Meldung kam, dass ein Bub in unterkühltem Zustand gefunden worden sei. Der Pilot startete nochmals. „Es war kälter geworden, sodass der Schnee trocken war und vom Rotorwind weggeblasen wurde, ehe er sich an den Scheiben festsetzen konnte. Einen Blindflug hätte ich nicht riskiert.“ Der Bub konnte ins Notlazarett gebracht werden – und überlebte.

Nicht jeder wäre in dieser Situation geflogen. Schneefall, Nebel, schlechte Sicht und tiefe Wolkenuntergrenzen sind Herausforderungen für jeden Hubschrauberpiloten. „Wenn alles weiß in weiß ist und man nichts sieht, kann man in den Bergen nicht fliegen.“ Wegen seiner Einsatzbereitschaft, seines Mutes wurde Strolz später als „Held von Galtür“ gefeiert, bekam zahlreiche Interviewanfragen – die er absagte. „Ich brauche keine Anerkennung von anderen. Ich hatte die Freude darüber, dass ich dem Jungen das Leben retten konnte.“ Zu dem er nach wie vor Kontakt hat. „Alle zwei Jahre sehen wir uns – er ist ja auch in Tirol zu Hause.“ Normalerweise verfolgt der Retter das Schicksal der Geretteten aber nicht. „Es passiert jeden Tag so viel Neues, dass man sich damit gar nicht beschäftigen kann.“

Auch dem Heldenmythos kann Strolz nichts abgewinnen. „Wir sind Profis, arbeiten ständig in Grenzbereichen. Wo die eigene Grenze liegt, muss jeder selbst erkennen.“ Das Fliegen ist für ihn aber auch nach 18 Jahren noch der ideale Beruf. Er hat fast ein schlechtes Gewissen zuzugeben, wie viel Spaß es ihm macht. Mit einer Familie ließe es sich aber schwer vereinbaren. „Ich bin ledig. Ist aber vielleicht besser so. Man ist ja doch viel unterwegs.“ Die Begeisterung für den Hubschrauber entwickelte der Tiroler beim Fallschirmspringen. In Kanada ließ er sich schließlich zum Flugzeugpiloten, in den USA zum Hubschrauberpiloten ausbilden. Als Gendarm konnte er dann beim Flugrettungsdienst des Innenministeriums quer einsteigen. Parallel fliegt er Rettungseinsätze für eine private Heli-Firma.

Nur einmal hätte Strolz beinahe die Lust am Fliegen verloren: 2002 nimmt er an einer Alpinübung in Ischgl teil, bei der er einen Bergretter am Seil befördern soll. Plötzlich lässt sich die Turbine nicht mehr drosseln – der Hubschrauber kann nur mehr mit einer Geschwindigkeit von über 150 km/h geflogen werden. Strolz versucht das einzig Mögliche, um den jungen Tiroler, der am Seil baumelt, zu retten: Er verständigt Rettungsmannschaften und kappt das Seil zwei Meter über dem Bodensee. Doch beim Aufprall auf das Wasser überschlägt sich der Bergretter mehrmals, entgleitet den Händen der Rettungskräfte. Seine Leiche wurde erst nach einer Woche in zehn Meter Tiefe gefunden. Der Pilot selbst kann sich mit einer Notlandung retten.

Der Tod des Kollegen trifft Strolz hart. „Die ersten Monate danach waren sehr schwierig, ich war leer und unmotiviert. Aber Alkohol oder Medikamente sind auch keine Lösung. Ich war bei einem Psychologen, der sagte mir: Rede, rede, rede. Das habe ich dann auch gemacht.“ Im Grunde sei es aber die Zeit gewesen, die seine Wunden geheilt habe. Zumindest auf seiner Handywarteschleife versprüht der Pilot heute wieder Fröhlichkeit. „Ein bisschen Spaß muss sein“, lässt er Roberto Blanco da singen. Wirklich infrage stellen würde Strolz die Fliegerei nur dann, wenn er selbst Mist baut. „Alles andere fällt für mich in die Kategorie Schicksal.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2009)

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