Alfred Dorfer: "Immer alles da, was wir brauchten"

Alfred Dorfer
Alfred DorferStanislav Jenis
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Der Wunsch der Mutter: Sicherheit. Aber Alfred Dorfer wird nicht Lehrer, sondern Schauspieler.

Dass er aus einfachen Verhältnissen kommt, ist Alfred Dorfer nie aufgefallen. „Das große Kunststück meiner Mutter war, mit sehr wenig Geld meiner Schwester und mir niemals das Gefühl zu geben, dass es uns an etwas fehlt, monetär und materiell.“

Die alleinerziehende Mutter ist Kindergärtnerin. Die Kinderfreunde erlauben, dass die eigenen Kinder zur Arbeit mitgenommen werden können. „So war ich bei der eigenen Mutter im Kindergarten.“ In Erinnerung ist Dorfer die Kindergartenzeit in Meidling auch deswegen geblieben, weil es verpflichtende Musik-, Theater- und Ballettstunden für alle gegeben hat. „Klassisches Ballett für Buben: Für mich hat das ganz logisch zum Kindergarten dazugehört.“

Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre seien Kinder noch „billiger“ gewesen als heute, meint Dorfer. Es gab auch noch keinen „Markendruck“. „Es war immer alles da, was wir brauchten.“

Nach der Volksschule in Meidling („die Lehrerin war sehr streng“), geht fast die ganze Klasse ins Gymnasium: Der erste Jahrgang, der keine Aufnahmsprüfung mehr machen musste. „Ich wollte in die Hauptschule, weil mir der Name besser gefiel, da hat man mir gesagt: ,Da gehen doch nur die hin, die die Schule nicht schaffen.‘“ Dorfer ist ein guter Schüler: „Nur beim Zeichnen hatte ich Probleme.“

Im Gymnasium ist es kein Thema, was nachher sein würde. „Es war die Zeit der Vollbeschäftigung. Man kam aus der Schule und wusste: Man kriegt sicher einen Job.“ Die Vision der Maturaklasse 1980 sei gewesen: „Man muss sich überhaupt keine Sorgen um die Zukunft machen.“ Dorfer gibt Nachhilfe und arbeitet jeden Sommer in der Zentralsparkasse als Praktikant. „Dort habe ich für einen Monat Arbeit eine unfassbare Summe erhalten.“

Bis kurz vor der Matura ist die Berufswahl offen: „Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich Schauspieler oder Chirurg werden will.“ Gegen den Operationssaal sprechen schließlich die Nerven und „die Feinmotorik“. Dorfer inskribiert Theaterwissenschaften, bewirbt sich am Max-Reinhardt-Seminar und fällt „im Finale“ durch. Er nimmt privat Schauspielunterricht, hält sich mit einem Halbtagsjob als Chauffeur für den Molkereiverband über Wasser. Die ältere Schwester lässt den Bruder bei sich wohnen, sonst wäre es sich nicht ausgegangen. „Meine Mutter war anfangs enttäuscht. Sie hatte Sorgen, dass ich sozial strande.“ Sie hätte es lieber gesehen, wenn ihr Sohn Lehrer wird.

Aus Dorfers Schauspielgruppe formiert sich die Formation Schlabarett, die eine völlig neue Art von Kabarett begründet. Über das Fernsehen kommt der Durchbruch. „Nach fünf, sechs Jahren konnte ich vom Schauspiel leben.“ Dass alles so gekommen ist, wie es gekommen ist – „das hat schon auch mit Glück zu tun.“

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