Kardinal Schönborn fühlt sich von der ÖVP im Stich gelassen

Fortpflanzungsmedizin. Die Kirche lehnt das umstrittene Gesetz ab.

Wien. Ob er sich beim Thema Fortpflanzungsmedizin von der ÖVP im Stich gelassen fühle, wurde Christoph Schönborn am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ gefragt. „In dieser Hinsicht schon“, antwortete der Kardinal. Er habe, noch bevor das umstrittene Gesetz im Jänner beschlossen wurde, Gespräche mit etlichen Politikern geführt und diese gefragt, ob es ihnen denn gleichgültig sei, dass neben der Kirche auch sämtliche katholische Laienorganisationen gegen die geplanten Neuerungen seien. Offensichtlich sei das der Fall gewesen, so Schönborn.

Mit dem Gesetz wurde unter anderem die Samenspende für lesbische Paare, die Eizellenspende und – bei Verdacht auf schwere Erbkrankheiten – auch die Präimplantationsdiagnostik erlaubt (der Embryo wird vor der Einpflanzung in den Mutterleib untersucht). Vor allem Letzteres lehnt Schönborn vehement ab. Die Kirche sei gegen „die Selektion zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Leben“. Denn dabei werde „ein fundamentales Menschenrecht“ verletzt.

Die Familie aus Vater, Mutter und Kind bleibt für den Kardinal das Familienideal. Allerdings meinte er über gleichgeschlechtliche Paare, die Kinder erziehen: „Das Ideal zu nennen ist nicht eine Verurteilung der Situationen, die nicht dem Ideal entsprechen.“

Steuerreform nur der Anfang

Die eben beschlossene Steuerreform hält Schönborn für einen „guten Anfang“, er mahnte aber weitere Maßnahmen ein. Denn die Schere zwischen Arm und Reich sei zuletzt noch weiter auseinandergegangen. Wirtschaftswachstum fließe in das oberste Segment. Daher sei die Anhebung des Höchststeuersatzes für hohe Einkommen gerecht. Jene, die mehr besäßen, hätten eine höhere Verantwortung, müssten also mehr zum Gemeinwohl beitragen, so der Kardinal.

Die Suche nach einem Nachfolger für den Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari sieht Schönborn auf der Zielgeraden: „Wer es wird, weiß ich nicht. Ich vertraue aber darauf, dass es ein Guter wird.“ (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2015)

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