Pop

Amadeus Award: Joints, Toleranz und rechtes Eck

15. VERLEIHUNG DER AMADEUS AUSTRIAN MUSIC AWARDS: WANDA
15. VERLEIHUNG DER AMADEUS AUSTRIAN MUSIC AWARDS: WANDA(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Auch die fünfzehnte, quasi sakral inszenierte Verleihung des heimischen Musikpreises im Volkstheater sorgte für kleinere Querelen.

Die größte Gefahr, die von Deutschlands Boden seit 1945 ausgeht, ist bekanntermaßen in Herbert Grönemeyers Kehle zu orten. Der Mann, der seit Jahrzehnten unbeirrt Stadionovale beschreit, lehrt, dass selbst wenn man alle Gesetze des Belcanto dickschädelig umschifft, eine gute Melodie nicht vollends zu ruinieren ist. Eine von Udo Jürgens schon gar nicht. In dessen Kielwasser gluckste und grölte Grönemeyer zur Einleitung der Gala von existenziellen Leerstellen: „Wohin geht die Liebe, wenn sie geht?“

Die Äuglein immens verengt, wich er bald im Modus der Glossolalie vom Liedtext ab: „Solatarä, Hollarä, höh, höh, olé.“ Präsentator Manuel Rubey, der souverän und pointenreich agierte, beruhigte zunächst die nerverlnden Künstler im Auditorium. „Die meisten von ihnen werden eh nicht gewinnen, rein wahrscheinlichkeitstechnisch ...“ Den Nino aus Wien tröstete er gleich prophylaktisch, sollte der Vielnominierte abermals ohne Trophäe ins Stuwerviertel zurückfahren.

Das Gewerbe, „Industrie“ will man ja nicht mehr sagen, versuchte wie erwartet einen Interessenausgleich unter den verbliebenen Firmen zu erreichen. Nur so ist erklärbar, dass die radikal harmlosen „Tagträumer“ in einem Jahr, in dem so wunderbar eigensinnige Bands wie Bilderbuch und Wanda den deutschen Sprachraum im Sturm erobern, zur Band des Jahres gekürt wurden. Das Feinste wie das Schlimmste, jedenfalls das verlässlich Interessante, kam auch heuer von den Peripherien. Direkt aus dem Underground wankten die etwas lichtscheuen Bloodsucking Zombies from Outer Space heran, um sich ihr Häferl in der Kategorie Hard'n'Heavy zu krallen. Andere stiegen aus schwindelerregenden Höhen herab. Conchita Wurst, dreifach gekürter Schwindelprinz, raubte kühn den ehrlichen Damen die Trophäe für die Künstlerin des Jahres.

Conchita vs. Gabalier

Erstaunlich, mit welcher Kraft viele an seine Inszenierung glauben. ATV-Moderatorin Arabella Kiesbauer blickte in die Kristallkugel und sah, dass „Conchitas Aufstieg zum Weltstar unaufhaltbar ist“. Dann träumte sie die Vision eines neuen Österreich. Sie soll mit dem heurigen ESC in die Welt hinausgetragen werden: „Akzeptanz, Toleranz und Österreich im Zentrum von all dem.“ Zu vermelden gilt es allerdings, dass die Wirksamkeit dieser Vision noch nicht flächendeckend ist. Andreas Gabalier, der andere, der da von hoch oben kam, ist resistent gegen derlei Verlockungen. Er ist braver Diener der Hetero-Normativität.

Der mit unpasteurisierter Milch aufgezogene „Mountain Man“ wetterte gegen den Gesinnungsdruck aus dem Political-Correctness-Lager. In seinen schlichten Worten hieß das: „Man hat es nicht leicht auf dieser Welt, wenn man als Manderl heut noch auf ein Weiberl steht.“ Das sorgte für ein bisserl Unruhe. Unbotmäßig wie er nun schon war, wehrte er sich auch dagegen, dass er von Medien wie FM4 ins rechte Eck gestellt werde.

Gegen dieses Milieu bellte auch das nicht extrem sympathische Favoritner Unterschichtphänomen Nazar (Sieger Rap) mit Schneckerl Prohaskas legendärem „Hurenkinder“-Sager an. Die gleichfalls gern in Fußballer-Metaphorik schwelgenden 5 Achterl in Ehr'n (Hit: „Alaba“) errangen den Jazz/World/Blues-Award. Julian Le Play, liebster Schwiegersohn der Nation, wurde für seine nicht gerade neue Fiktionsräume öffnende Liedersammlung „Melodrom“ das Schalerl für das „Album des Jahres“ überreicht. Eine Überraschung. Oder auch nicht.

Nichts als reine Liebe erntete Arik Brauer, der für sein Lebenswerk geehrt wurde. Seine Lieder tadelten die Schwächen der Landsleute mit viel Ironie. Brauer war mit seinen Liedersammlungen von Anfang der Siebzigerjahre einer der Pioniere für eine genuine österreichische Popmusikszene. Dass Andreas Gabalier bei der Aftershow-Party „I roll an Joint für di“ für anwesende FM4-Redakteure gesungen hätte, erwies sich nach gründlicher Recherche doch nur als Gerücht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2015)

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