Atomstreit: Wem ein Abkommen mit dem Iran nützt

Irans Außenminister Mohammed Javad Zarif wird in Teheran begeistert empfangen
Irans Außenminister Mohammed Javad Zarif wird in Teheran begeistert empfangenAPA/EPA/BORNA QASEMI
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In Teheran wird gejubelt, dabei ist das Abkommen noch gar nicht unter Dach und Fach. US-Präsident Barack Obama feiert auch schon den Erfolg der Diplomatie, während in Israel und Saudiarabien keine Begeisterung aufkommt.

Mit der Einigung auf die Eckpunkte eines Abkommens zwischen den sogenannten P 5+ 1 (die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland) und dem Iran besteht die Chance, dass bald ein mehr als zehn Jahre währender Streit beigelegt werden kann. Der Nutzen der Einigung ist allerdings ungleich verteilt, und es gibt nicht nur eindeutige Gewinner wie die iranische Regierung, deren Außenminister Mohammed Javad Zarif am Freitag unter Jubel in Teheran empfangen wurde.

Iran

Der Iran profitiert sicherlich am meisten von einem Abkommen, und zwar gleich in mehrerlei Hinsicht. Erstens wird ihm - wenn auch unter strengen Auflagen - sein Atomprogramm prinzipiell zugebilligt. Das kann die Regierung vor der Öffentlichkeit im eigenen Land als Erfolg verkaufen, was umso wichtiger ist, als man das Atomprogramm zu einer Frage des nationalen Stolzes hochstilisiert hatte. Zudem wird Teheran durch das Abkommen seinen Paria-Status in der Staatengemeinschaft teilweise los.

Zweitens, noch wichtiger: Das Land wird die internationalen Sanktionen los, die die Wirtschaft und die Bevölkerung doch stark in Mitleidenschaft gezogen haben. Zahlreiche Güter, darunter auch Ersatzteile für Flugzeuge, konnten nicht mehr importiert werden, Sanktionen im ÖL-/Gas-Sektor schränkten die Möglichkeiten Irans, seinen Reichtum an Bodenschätzen zu Geld zu machen, stark ein, Sanktionen im Finanzbereich hemmten wirtschaftliche Beziehungen mit dem Ausland überhaupt. Präsident Hassan Rohani war vor knapp zwei Jahren gewählt worden wegen des Versprechens, die (wirtschaftliche) Isolation Irans zu beenden und dadurch die Lebensbedingungen der Bevölkerung merklich zu verbessern. Dieses Versprechen kann er bei einem Deal einlösen, was innerhalb des Regimes auch den pragmatischen Flügel stärkt.

Drittens: Wenn künftig für Teheran wieder die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft sprudeln, kann das Regime noch stärker als bisher militante Gruppen im Ausland wie die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah unterstützen und so seine Macht stärker in die Region projizieren.

USA

Nutznießer in den USA ist zunächst einmal Präsident Barack Obama selbst. Seine - einem Friedensnobelpreisträger auch nicht schlecht anstehende - Politik, eine friedliche Lösung im Atomstreit zu suchen, hat nach langen Mühen letztlich Früchte getragen. In einem der wichtigsten internationalen Konflikte kann Obama einen Erfolg vorweisen, allerdings im Grunde der einzige wirkliche Punkt auf seiner außenpolitischen Habenseite. Seine innenpolitischen Gegner werden jetzt freilich das Abkommen zerpflücken - so wie sie Obama im Falle eines Scheiterns vorgeworfen hätten, dass seine Strategie gescheitert wäre.

Gleichzeitig dürfte fürs erste die Gefahr gebannt sein, durch einen einseitigen Militärschlag Israels in einen bewaffneten Konflikt mit dem Iran, der unabsehbare Folgen für den ganzen Nahen Osten hätte, hineingezogen zu werden. Überhaupt stärkt das Abkommen den außenpolitischen Handlungsspielraum Washingtons.

Europa

Für die Staaten der Europäischen Union liegt der Nutzen vor allem im wirtschaftlichen Bereich. In vielen Ländern scharren die Firmen bereits in den Startlöchern - in Österreich zuvörderst die OMV - um, nicht nur im Rohstoffbereich, das große Potenzial zu nutzen, das in einem von Wirtschafts-Restriktionen befreiten Iran liegt. Der Investitionsbedarf in dem Land ist nach Jahren der Sanktionen enorm, der Iran ist ein äußert interssanter Export-Markt für die europäische Industrie, die es kaum erwarten kann, in dem Land tätig zu werden: Ende 2013 unternahm eine Delegation der Wirtschaftskammer eine Reise zur Sondierung des iranischen Marktes. In der iranischen Nachrichtenagentur Mehr wurde WKO-Vizepräsident Richard Schenz damals mit den Worten zitiert, Österreich sei schon immer gegen die Sanktionen gewesen und habe diese innerhalb der EU auch kritisiert.

Israel

Zu den Verlierern gehört im Falle eines tatsächlichen Abkommens Israels Premier Benjamin Netanjahu. Er hat in den vergangenen Jahren nichts unversucht gelassen, um die US-Regierung vom Verhandlungskurs abzubringen. Wenn der Atomstreit beigelegt ist, kommt Netanjahu sein wichtigstes Thema abhanden, mit dem er sich auch immer als Garant für Israels Sicherheit zu präsentieren wusste. Ob Israel an eher zu den Gewinnern oder den Verlierern zu zählen ist, lässt sich schwer abwägen. Ein israelischer Militärschlag gegen iranische Atomanlagen, wie er immer wieder auch von Netanjahu in den Raum gestellt wurde, hätte ganz sicher schwerwiegende Folgen für Israels Sicherheit gehabt. Iran hätte seinen Stellvertreter, die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah, massiv Raketen auf Israel feuern lassen. Diese Raketen erreichen längst auch Tel Aviv. Israels Abwehrsystem "Iron Dome" ist zwar sehr gut, aber nicht unfehlbar. Andererseits füllt ein Deal, der mit einer Aufhebung der Sanktionen einhergeht, indirekt Irans Kriegskasse, was erst Recht wieder Mittel für die Unterstützung der Hisbollah und radikaler Palästinensergruppen frei macht.

Saudiarabien

Riad kann klar unter die Verlierer gerechnet werden. Saudiarabien hätte nur zu gerne einen US-Militärschlag gegen den Iran gesehen. Wie die von der Enthüllungs-Plattform Wikileaks 2010 veröffentlichten Depeschen der US-Diplomatie ans Licht brachten, hatte der kürzlich verstorbene saudische König Abdullah die USA im Hinblick auf Iran sogar aufgefordert, "der Schlange den Kopf abzuschlagen". Ein Tauwetter zwischen den USA und dem schiitischen Iran, oder auch nur eine Teilweise Rehabilitierung Teherans, kann dem sunnitischen Erzrivalen nur ein Dorn im Auge sein. Im schlimmsten Fall traut Riad dem Inspektionsregime nicht und treibt selbst ein Atomprogramm voran.

Russland

Auf der Gewinner-Seite steht jedenfalls Russland, und Moskau kann jeden Erfolg derzeit brauchen wie einen Bissen Brot. Wie westliche Diplomaten auch immer wieder bestätigten, haben Russland und sein gewiefter Außenminister Sergej Lawrow während der Verhandlungen immer eine konstruktive Rolle gespielt. Moskau liegt wenig an einer Atommacht Iran, allerdings viel an einem Handelspartner Iran. Russland hat schon das erste iranische Atomkraftwerk in Bushehr gebaut, weitere lukrative Aufträge winken. Wenn man nebenbei zeigen kann, dass man in der internationalen Diplomatie nicht immer nur der Spielverderber ist - umso besser.

China

Peking verhielt sich im Verhandlungsprozes am Unauffälligsten. Grosso modo gilt das selbe wie für Russland: Man spitzt auf einträgliche Wirtschaftsbeziehungen und will andererseits den Kreis der Atommächte nicht wachsen sehen. China zählte zwar in Sachen UN-Sanktionen keineswegs zu den Vorreitern, hat aber die Maßnahmen immer mitgetragen.

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