Wann fährt eigentlich das Pensionssystem an die Wand?

Dass die Regierung nicht einmal die Anhebung des Pensionsantrittsalters ordentlich auf die Reihe bringt, ist kein gutes Zeichen für die Pensionsreform.

Die einen sehen das Pensionssystem mit Höchsttempo an die Wand fahren, die anderen, etwa der Sozialminister, sehen die Lage dagegen höchst entspannt – und keinen Grund für übertriebene Hektik. Was ist denn nun eigentlich Sache?

Sieht man sich die Daten genauer an, dann zeigt sich: Die Relation zwischen Ausgaben und Einnahmen hat sich in den vergangenen sechs Jahren nicht dramatisch verschlechtert. Weder im ASVG noch bei den Beamten. Es gibt also keinen Grund, augenblicklich in Panik zu verfallen. Aber das langfristige Auseinanderdriften der Einnahmen- und Ausgabenkurven sollte halt auch zu denken geben. Wenn nichts oder zu wenig geschieht, dann bewegen wir uns relativ schnell auf die Unfinanzierbarkeit zu. Das kann kein wünschenswertes Ziel sein. Insofern ist die Abwiegelei, die Sozialminister Hundstorfer betreibt, nicht ganz verständlich.

Man sollte jetzt einmal exakt definieren, wo die Probleme liegen. Das ist bisher wegen der typisch österreichischen Klientelpolitik nicht ausreichend geschehen. Die nackten Zahlen zeigen jedenfalls, dass das mit Abstand am besten durch Beiträge abgedeckte System jenes des ASVG ist, aus dem der größere Teil der Österreicher seine Pension bezieht. Das ist kein Wunder, denn ASVGler zahlen (inkl. Arbeitgeberanteil, der aber klarerweise ein ganz normaler, wenn auch auf dem Lohnzettel nicht ausgewiesener Lohnbestandteil ist) die mit Abstand höchsten Beiträge und haben auch bei Weitem die meisten Anpassungen hinter sich.

An dieser Stelle kommt meist das Argument, das könne man so nicht sehen, weil sich der Arbeitgeber etwa bei Beamten und Eisenbahnern den Arbeitgeberanteil erspart und man diesen deshalb aus den Zuschüssen herausrechnen müsste. Ein Killerargument, noch dazu ein falsches: Ein nicht bezahlter Beitrag, aus welchen Gründen auch immer, ist ein nicht bezahlter Beitrag – der im System eben fehlt.

Wenn Finanzminister Schelling jetzt also meint, es gebe „auch bei den Beamten“ Handlungsbedarf, dann ist das eine ziemliche Verdrehung der Realität. Es gibt jetzt überall mehr Handlungsbedarf als im ASVG, denn der Eigenfinanzierungsgrad ist überall geringer. Das Problem verkleinert sich zwar sukzessive dadurch, dass kaum noch pragmatisiert wird und neu eintretende Eisenbahner ohnehin ASVGler sind, aber bis die Systeme auf diese Art angeglichen sind, gehen noch ein paar Jahrzehnte ins Land. Da besteht kurzfristigerer Handlungsbedarf.

Vor allem in den Ländern, von denen einige ja noch nicht einmal die Reform der Bundesbeamtenpensionen nachvollzogen haben. Dass das der ehemalige Gemeinde-Wien-Gewerkschafter Hundstorfer anders sieht, wundert einen zwar nicht, das Frühpensionistenparadies der Gemeinde Wien, um ein Länderbeispiel zu nennen, ist trotzdem eine krasse Verhöhnung aller bereits mehrfach reformierten ASVG-Rentner.


Den kurzfristig höchsten Reformbedarf haben wir also nicht im ASVG. Zuerst geht es darum, die anderen Systeme auf dieses Finanzierungsniveau zu bringen. Und das ASVG-System selbst wäre für viele Jahre mit einem einfachen Schritt saniert (wenn man darunter versteht, dass die Beitragslücke zumindest nicht weiter steigt): mit einer zügigen Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters an das gesetzliche. Einschließlich der bei Bundesbeamten übrigens schon vollzogenen Angleichung des Frauenpensionsalters.

Dass die Koalition das nicht auf die Reihe bringt, ist ein ausgeprägtes Armutszeugnis. Verwundert aber nicht: Schließlich hat genau diese Konstellation – damals in Gestalt der Herren Werner Faymann und Wilhelm Molterer – aus rein wahltaktischen Gründen (mit einer Verlängerung der unsinnigen Hacklerregelung und einer außertourlichen Pensionserhöhung) im September 2008, knapp vor der Nationalratswahl, dafür gesorgt, dass die Finanzierungslücke schlagartig um fast zwei Mrd. Euro gewachsen ist.

Das versteht man eben hierzulande unter Pensionsreform – und genau deshalb sollte man sich für die kommende Reform nicht zu viel erhoffen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2015)

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