Cernko: "Reiche sind hart arbeitende Menschen"

Bank-Austria-Chef Willibald Cernko
Bank-Austria-Chef Willibald CernkoDie Presse
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Die Österreicher sollten in ihrem Umgang mit Reichen "entspannter" werden, meint Bank-Austria-Chef Willibald Cernko.

Reiche – so scheint es – stehen in Österreich unter Generalverdacht. Das zeigte sich auch bei der Diskussion um die Steuerreform. Hat Balzac also recht, wenn er sagt: „Hinter jedem großen Vermögen steckt ein großes Verbrechen“?

Willibald Cernko: Ich sehe das nicht so. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie. Ich bin also nicht verdächtig, aus einem reichen Haus zu kommen. Wir waren fünf Kinder, und mein Vater ist verunglückt, als ich elf Jahre alt war. Mich hat aber Zeit meines Lebens die Einstellung geprägt, selbst etwas aus dem Leben zu machen. Ich habe sehr viele Leute kennengelernt, die erfolgreich waren. Die auf eine ehrliche, aber auch riskante Weise – weil sie unternehmerisches Risiko genommen haben – viel Geld gemacht haben.

Wer viel Geld macht, gilt hierzulande de facto als Staatsfeind.

Ich habe auch viele Vermögende erlebt, die nicht nur vom Geld getrieben sind, sondern viel für die Gesellschaft machen und dabei vieles abdecken, was unser soziales System nicht mehr abdecken kann. Daher habe ich einen sehr entspannten Zugang zu Vermögenden gefunden. Nicht nur, weil ich nicht vermögend bin, sondern auch, weil ich sehe, dass Reiche in der Regel hart arbeitende Menschen sind. Wir sollten uns daher alle ein Stück weit entspannen.

Sie dürften aber mit den Entspannten in der Minderheit sein.

Das glaube ich nicht. Jene, die mit Vermögen, Erfolg und Leistung generell ein Problem haben, schreien einfach am lautesten. Jene, die über Vermögen verfügen, einen tollen Job machen und sich zur Leistungsbereitschaft bekennen, sind halt ein Stück leiser. Bedenklich wird das Ganze für mich, wenn Menschen beginnen, die Öffentlichkeit zu meiden. Weil es bei uns eine ausgeprägte Neidkultur gibt, die sich auch gegen Leib und Leben richten kann.

Leben Reiche bei uns gefährlich?

Nein, noch leben wir in einem Land und in einer Hauptstadt, in der sehr gut verdienende Menschen wie ich vollkommen unbehelligt durch die Stadt gehen können. Das ist ein Gut, mit dem man sehr vorsichtig umgehen sollte. Ich wurde in einer Gesellschaft groß, in der man Achtung vor Leuten hatte, die es zu etwas gebracht hatten.

Warum scheint das nun zu kippen?

Das kann ja nur daher kommen, dass einige mit aller Gewalt versuchen, hier Klassenkämpferisches am Leben zu halten, was keine Grundlage mehr hat. Ich kenne Leute, die sich aufgrund dieses Klimas aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Sie erwarten sich keinen Dank, aber Respekt und Wertschätzung.

Der Respekt vor jenen, die diesen Sozialstaat zum Großteil finanzieren, ist also verloren gegangen?

Ich bin mit einer Künstlerin verheiratet und sehe, wie in unterschiedlichen Kulturen mit finanzieller Zuwendung umgegangen wird. In den USA ist es selbstverständlich, dass sich der Künstler nach einem Konzert zuerst einmal jenen widmet, die das Ganze finanziert haben. Und der Künstler nimmt sich für diese Donatoren mindestens eine Stunde Zeit. Das fehlt uns. Wir entwickeln uns zu einer Gesellschaft, in der man ein Problem hat, Leistung zu verlangen.

Der Staat hat aber offensichtlich überhaupt kein Problem damit, von Leistungsträgern eine höhere Steuerleistung zu verlangen. Er hat auch kein Problem damit, Unternehmer als potenzielle Steuerbetrüger zu betrachten.

Es beginnt ja schon damit, dass sich die Steuerzahler vor dem Staat rechtfertigen müssen, anstatt dass sich die Regierung vor den Bürgern verantwortet. Dass es diese Pauschalverdächtigung gegen Unternehmer gab, war wirklich schlimm. Das halte ich für sehr bedenklich.

Sind Sie vermögend?

Ich verdiene gut, keine Frage. Ich habe aber auch eine große Familie, die ich entsprechend unterstütze. Und ich lebe, gebe also viel aus, damit die Wirtschaft läuft. Ich bin aber nicht sonderlich vermögend. Ich habe eine schöne Wohnung im achten Bezirk, die ist aber immer noch kreditbehaftet. Ich werde unter dem Strich einen positiven Nettosaldo haben. Ich bin aber noch weit von der Grenze entfernt, bei der der Herr Bundeskanzler meint, man müsse mehr abliefern.

Sie sprechen jetzt unter anderem den Spitzensteuersatz von 55 Prozent an. Pardon: den „Solidarbeitrag“, wie es die Regierung nennt.

Mit Solidarität ist das nicht zu rechtfertigen. Zu rechtfertigen wäre das nur mit ganz klaren Ansagen, wie man die großen Reformthemen konkret angehen will. Ob das nun Bildung, Pensionen, Verwaltung oder Gesundheit ist. Ein jeder hat Verständnis, dass jene, die über mehr verfügen, auch mehr beitragen. Aber es muss die Vorbedingung erfüllt sein, dass der Staat so effizient wie möglich ist. Nur dann hat auch derjenige, der mehr in die Kassa einzahlen muss, das Gefühl, dass er investieren würde. Derzeit stopfen wir ja nur Löcher und sind komplett nach rückwärts gewandt. Österreich hat sich von der Überholspur auf die Kriechspur begeben. Wir haben seit Jahren Stillstand.

Finanzminister Hans Jörg Schelling glaubt, wenn der Staat weniger Steuern einnimmt, kommen die Reformen von selbst – quasi notgedrungen.

Ich kann nur hoffen, dass er Ausdauer, Geduld und die notwendige Fortune hat, dass dies gelingt. Am Ende ist es aber so, dass wir diese Themen anfassen müssen. Die Frage ist nur, ob der Druck bereits groß genug ist. In den Jahren 2008, 2009 und 2010 war der Druck schon ungleich größer. Passiert ist trotzdem nichts. Geschieht es jetzt? Es bleibt zu hoffen.

Was müsste jetzt geschehen?

Ich würde mich auf drei Themen konzentrieren. Das erste ist Bildung. Diese Zukunftsfrage muss erledigt werden. Dann die Pensionen. Wenn wir sicherstellen wollen, dass die Altersversorgung auch in der Zukunft leistbar möglich ist, muss endlich etwas getan werden. Schmerzlich ist dabei meiner Ansicht nach auch, dass die Eigenvorsorge nicht mehr vom Staat belohnt wird. Inzwischen wird sie steuerlich richtiggehend bestraft. Und das dritte Thema ist die Verwaltungsreform. Es muss möglich sein, alles effizienter zu machen, ohne dass wir staatliche Leistung einschränken. Eine Regierung, die den Mut hat, all diese Themen anzufassen, würde auch belohnt werden. Die Leute haben die Nase voll vom Aussitzen.

Sie sprachen von Stillstand. Warum geht nichts weiter?

Es fehlt an Leadership. Auf der europäischen und auf der österreichischen Ebene. Schauen wir uns die Industriepolitik an. Europa ist sich hier nicht klar, was es will. Wollen wir in Europa noch Unternehmen haben, die im globalen Wettbewerb bestehen können? Wollen wir Banken haben, die diese Unternehmen begleiten können? Oder überlassen wir dieses Feld einigen wenigen US-Gesellschaften?

Sie haben allerdings zwei in Österreich nicht ganz unwesentliche Ebenen vergessen: die Länder und die Gemeinden. Oder war das schon Ihre ganz persönliche Verwaltungsreform?

Ich sehe das so: Es gibt eine europäische Ebene, das ist ein Faktum. Es ist sinnvoll, auf nationaler Ebene eine entsprechende Struktur zu haben. Und es ist auch sinnvoll, auf der kommunalen Ebene stark präsent zu sein – ich würde also die Gemeinden stärken, durchaus mit der Idee, hier größere Einheiten zu schaffen. Die Länder würde ich eher als Serviceeinrichtung für die Bürger sehen. Was soll hier noch groß an Gesetzgebung stattfinden? Das bedeutet natürlich, dass man sich dort auch selbst infrage stellen muss.

Glauben Sie, dass sich die Herren Häupl und Pröll selbst infrage stellen können?

Ich weiß, dass Unternehmen es können. Auch wir nehmen Hierarchieebenen heraus und versuchen ständig, die Effizienz zu steigern.

Aber Sie werden weder gewählt, noch büßen Sie durch Strukturreformen Macht ein.

Ja. Vielleicht fehlt es in der Politik neben Berufspolitikern – die man durchaus auch wertschätzen sollte – an temporären Quereinsteigern. Dann gäbe es viel mehr Selbstreflexion. Dann würden sich Politiker öfter fragen, ob das, was getan wird, auch gut für das Land und seine Menschen ist. Es gibt einen launigen Sager aus der Beraterbranche: Wenn du den Teich trockenlegen willst, frag nicht die Frösche.

Aber in den Parteien quaken die altgedienten Frösche am lautesten.

Deshalb ist das Interesse bei Menschen von außen extrem unterentwickelt.

Würden Sie in den Teich hüpfen?

Ich würde es nicht machen. Ich kann mir nicht vorstellen, in einem System zu arbeiten, in dem man am Ende einer Meinung sein muss.

Aber ist das nicht ein Grundproblem? Über die Frösche zwar schimpfen, aber sich selbst nicht hüpfen trauen?

Politiker ist natürlich ein unbedankter Job. Es gibt auch keine Berufsgruppe, die sich selbst so schlechtredet. Die Leute arbeiten zum Teil rund um die Uhr. Sollten sie nicht auch so viel verdienen wie Spitzenmanager? Ich hätte damit kein Problem.

Vielleicht verdienen die Politiker so viel wie sie verdienen, weil sie für ihre Entscheidungen oder Nichtentscheidungen auch keine Verantwortung übernehmen? Die frühere Finanzministerin Fekter – heute Nationalratsabgeordnete – schweigt zum Thema Hypo beharrlich.

Das ist ein eigenartiger Umgang mit der Verantwortung. Einfach aus dem Amt zu gehen und dann zu sagen, es gibt dazu jetzt keine weitere Wortspende, ist nicht mein Verständnis von Demokratie. Sie ist keine Privatperson, auch heute nicht. Da darf man sich nicht wundern, wenn sich die Bürger von der Politik verabschieden.

Steckbrief

1956
wird Willibald Cernko im obersteirischen Knittelfeld geboren.

1983
beginnt er seine Bankkarriere bei der Raiffeisenkasse Obdach.

1985
wechselt er ins Firmenkundengeschäft der Creditanstalt nach Wien.

2000
zieht er in den Vorstand der Bank Austria ein.

2009
wird Willibald Cernko Vorstandsvorsitzender der inzwischen zum italienischen UniCredit-Konzern gehörenden Bank Austria.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2015)

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