Tausende Flüchtlinge sind nach IS-Attacke im Camp Yarmuk eingeschlossen.
Damaskus. Im Palästinenserlager Yarmuk im Süden der syrischen Hauptstadt Damaskus sind tausende Menschen in Gefahr, nachdem die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vergangene Woche weitgehend die Kontrolle über das Viertel übernommen hat. Der UN-Sicherheitsrat forderte, einen Hilfskorridor einzurichten, um eine humanitäre Krise zu vermeiden. Die EU sagte 2,5 Millionen Euro Soforthilfe zu. EU-Kommissar Christos Stylianides erklärte, das Leiden der Zivilisten vor Ort erreiche unerträgliche Ausmaße.
Der IS hatte das Lager am Mittwoch angegriffen – laut lokalen Aktivisten und Augenzeugen auch mit Hilfe der al-Nusra-Front, die als al-Qaida-Ableger in Syrien eigentlich als Konkurrent des IS gilt. Von den 18.000 Menschen, die bis zuletzt in Yarmuk verbliebenen waren, sollen nach palästinensischen Angaben 2000 geflohen sein, viele seien aber zwischen den Fronten eingeschlossen.
Enthauptete Palästinenser
Palästinensische Milizen versuchen, den IS-Kämpfern Widerstand zu leisten. Auch eine Delegation der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) will nach Damaskus reisen und versuchen, den Palästinensern zu helfen. Der Angriff ist der bisher weiteste Vorstoß des IS in Richtung Damaskus. Medien berichteten, mehrere Männer seien enthauptet und junge Mädchen entführt worden.
Auch Regierungstruppen haben das Lager unter Beschuss genommen. Seit zwei Jahren hatte das Regime Yarmuk weitgehend abgeschnitten, um Regimegegner auszuhungern. Bereits in früheren Phasen des syrischen Bürgerkrieges war Yarmuk umkämpft. Früher hatten dort laut UN 160.000 Palästinenser gelebt, Flüchtlinge aus den israelisch-arabischen Kriegen der 1940er-Jahre und deren Nachkommen. Die meisten von ihnen flohen 2012, als Kämpfe zwischen palästinensischen Assad-Befürwortern und Regimegegnern ausbrachen. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2015)