"Tödlich verunglückt": Die Ermordung von Hitler-Attentäter Elser

Georg-Elser-Gedenkstätte in Berlin.
Georg-Elser-Gedenkstätte in Berlin.(c) EPA (Soeren Stache)
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Fünf Jahre lang ließ Adolf Hitler den Attentäter leben. Doch dann gab der Gestapo-Chef im April 1945 den Befehl, Elser habe "tödlich zu verunglücken".

Als sich der Zweite Weltkrieg im April 1945 seinem Ende zuneigt, entscheidet sich auch das Schicksal Dutzender von den Nazis gefangen gehaltener sogenannter Sonderhäftlinge - also Gefangener mit besonderem Status. Darunter fallen besonders prominente Politiker wie der österreichische Ex-Kanzler Kurt Schuschnigg, ehemalige Wehrmachtsangehörige und ausländische Militärangehörige. Am 5. April 1945 teilt Heinrich Müller, der Chef der Gestapo, dem Kommandanten des Konzentrationslagers Dachau mit, wie mit den unterschiedlichen Sonderhäftlingen zu verfahren sei.

Während andere Häftlinge - darunter auch Schuschnigg - gut bzw. besonders gut zu behandeln seien, ist der Befehl in Bezug auf Schutzhäftling "Eller" eindeutig: Dieser habe bei einem Fliegerangriff "tödlich zu verunglücken"."Eller" ist der Deckname für den Hitler-Attentäter Georg Elser.

In der zynischen NS-Sprache liest sich der Befehl folgendermaßen:

Der Befehl von Gestapo-Chef Müller

"Auch wegen unseres besonderen Schutzhäftlings "Eller" wurde erneut an höchster Stelle Vortrag gehalten. Folgende Weisung ist ergangen: Bei einem der nächsten Terrorangriffe auf München bzw. auf die Umgebung von Dachau ist angeblich "Eller" tötlich verunglückt.

Ich bitte, zu diesem Zweck "Eller" in absolut unauffälliger Weise nach Eintritt einer solchen Situation zu liquidieren. Ich bitte besorgt zu sein, dass darüber nur ganz wenige Personen, die ganz besonders zu verpflichten sind, Kenntnis erhalten. Die Vollzugsanzeige hierüber würde dann etwa an mich lauten:

"Am .... anlässliche des Terrorangriffs auf ..... wurde u.a. der Schutzhäftling "Eller" tötlich verletzt."

Nach Kenntnisnahme dieses Schreibens und Vollzug bitte ich es zu vernichten."

Im Original ist tatsächlich "tötlich", nicht tödlich, zu lesen.

Am 9. April trifft der Befehl im KZ Dachau ein. Georg Elser wird noch in derselben Nacht um 23 Uhr per Genickschuss hingerichtet - nicht einmal einen Monat vor Kriegsende. Die NS-Täter vernichten daraufhin ihre Spuren. Emil Mahl, ein ehemaliger Häftlingskapo im KZ Dachau erinnerte sich daran später: "Elser hatte einen einzigen Schuss, und zwar einen Genickschuss und war bei unserer Ankunft schon tot. Meiner Ansicht nach war der Schuss aus unmittelbarster Nähe abgegeben worden. Wir mussten den Elser sofort ins Neue Krematorium tragen und anschließend sogleich in dem Ofen verbrennen."

Elser ist nicht der einzige prominente Widerstandskämpfer, den die NS-Führung auf keinen Fall überleben lassen wollte. Am selben Tag werden auch Dietrich Bonhoeffer, Wilhelm Canaris und Hans von Dohnanyi exekutiert.

Bombenattentat 1939 im Münchener Bürgerbräukeller

Einzeltäter Georg Elser, der schon früh ein Gegner des Nationalsozialismus war und bereits seit 1933 den Hitlergruß verweigerte, verübte am 8. November 1939 im Bürgerbräukeller in München ein Bombenattentat auf Adolf Hitler. Damit will er die Ausweitung des Krieges verhindern. Bei dem Attentat sterben acht Menschen, 63 werden verletzt. Doch Hitler verlässt 13 Minuten vor der Explosion das Gebäude.

Hitler lässt den Attentäter bis April 1945 überleben, weil ihm nach gewonnenem Krieg der Schauprozess gemacht werden soll. Denn laut NS-Propaganda verübte Elser das Attentat im Auftrag des britischen Geheimdienstes.

Der Kampf um die Ehre des Sohnes

Für Elsers Mutter hat das Leiden mit dem Tod ihres Sohnes allerdings noch kein Ende. Denn viele Deutsche glauben lange an die NS-Legende von Elser als britischem Werkzeug. Andere wiederum halten ein von den Nationalsozialisten inszeniertes Attentat - eine auch durch den evangelischen Theologen Martin Niemöller geförderte Idee - für möglich. Der Einzeltäter Elser passt in keine Gruppe des Widerstands. Maria Elser kämpft bis zu ihrem Tod 1960 um die Ehre ihres Sohnes.

Diese wird allerdings erst später wiederhergestellt. 1969 veröffentlicht der Historiker Lothar Gruchmann die Verhörprotokolle und ermöglichte damit eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Attentäter und Widerstandskämpfer Elser, als der er heute gewürdigt wird.

Ab 9. April, dem 70. Todestags Elsers, läuft in den deutschen Kinos der Film "Elser", den "Die Welt" einem Faktencheck unterzogen hat. In Österreich soll der Film im Mai anlaufen.

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