Vor 20 Jahren: Der missglückte Anschlag von Ebergassing

Peter Konicek und Gregor Thaler.
Peter Konicek und Gregor Thaler.(c) APA
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Am 11. April 1995 versuchen zwei Männer einen Hochspannungsmast in Niederösterreich in die Luft zu jagen. Doch ein Sprengsatz explodiert zu früh.

Am Morgen des 19. April 1995 macht ein Landarbeiter in einem unbewohnten Teil der niederösterreichischen Gemeinde Ebergassing einen erschreckenden Fund: Neben dem Hochspannungsmast entdeckt er gegen 11:30 Uhr zwei Leichen. Wie sich später herausstellen wird, liegen sie schon seit mehreren Tagen im Gras am Waldrand. Es handelt sich um den Ebergassinger Peter Konicek und den Innsbrucker Gregor Thaler. Die beiden sind Anfang 30, gehören der „linksradikale Szene“ an - und versuchten am 11. April den Mast mit der Nummer 383 in die Luft zu jagen. Dass sie dabei ihr Leben verloren, sah der Plan nicht vor: Eine zu hohe Induktionsspannung ließ einen Sprengsatz zu früh explodieren.

Die Gefahr besteht weiter: An den vier Betonklötzen des rund 60 Meter hohen Mastes sind fünf Pakete mit je drei bis fünf Kilogramm Sprengstoff befestigt – vier davon sind noch scharf. Es handelt sich um selbstgemachte Sprengkörper, ein Gemenge aus Natriumchlorat und Sacharose, versehen mit einer Zeitschaltuhr, einer Batterie und einer Fotoblitzlichtlampe.

Suche nach dem „Dritten Mann“

Am Nachmittag werden die benachbarten Mast vom Entschärfungsdienst „abgespannt“, danach die Bomben „abgesprengt“. Da die Masten eine Leitung tragen - sie reicht von Ungarn über Wien bis nach St. Peter bei Braunau über Wien bis nach -, durch die Atomstrom fließt, wir ein Protest gegen Atomstrom als Motiv der Täter angenommen. Entdeckt werden auch Reifenspuren, Zeugenaussagen weisen auf ein dunkles Fahrzeug hin. Die Suche nach einem „Dritten Mann“ beginnt.

Am 20. April wird ein schwarzer Citroen BX in Wien-Favoriten sichergestellt. Im Wagen finden die Beamten nicht nur den Reisepass von Konicek, sondern auch Schachteln, in denen der Sprengstoff transportiert wurde. Die Wohnung von Thaler und seiner Freundin Beate G. wird durchsucht, Materialien, die sich zur Herstellung von Sprengsätzen eignen, sichergestellt. G. selbst ist verschwunden. Erst am 25. April stellt sie sich der Polizei. Sie habe sich „aus Angst vor Medien und Polizei“ in einem Bauernhaus versteckt, sagt sie. Am Anschlag will sie nicht beteiligt gewesen sein.

Unterdessen gehen die politischen Wogen hoch: FPÖ-Obmann Jörg Haider wirft SPÖ-Innenminister Caspar Einem vor, sich „blind und taub zu stellen“ und die „linke Terrorszene“ durch Spenden unterstützt zu haben. Einem streitet die „Besudelungen“ ab. Neue Munition liefert kurz darauf das Magazin „News“: Beim „Dritten Mann“ handle es sich um Bassam A., heißt es in dem Bericht. Er sei untergetaucht, ein Haftbefehl sei ausgestellt, Minister Einem mit ihm bekannt. Letzterer bestreitet: „Ich kenne ihn nicht.“

Langsam klingt der Fall Ebergassing ab – um im April 2001 neu hochzukochen: Bassam A. wird in Mexiko gefasst. Er sieht sich als „Opfer einer Politikintrige“, beteuert seine Unschuld. Eine österreichische Untersuchungsrichterin sieht das ähnlich: Wegen des lange zurückliegenden Falles und der „schwierigen Beweisführung“ hebt sie den Haftbefehl gegen den 36-Jährigen auf. Er selbst kommentiert im ORF: „Die Polizei stand damals unter großem Druck und wollte auf Biegen und Brechen einen dritten Mann finden.“ Staatsanwalt Hans-Christian Leiningen-Westerburg weist das 2001 zurück: Er ist weiter von der Existenz eines Dritten überzeugt. Erneut hochgekocht ist die Causa bisher dennoch nicht.

(hell)

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