FPÖ-Lesung: "Profit, Wellness und Sex sind die neuen Götzen"

Walter Marinovic
Walter Marinovic(c) Presse (Michaela Bruckberger)
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Rechter Redner im Parlament: Martin Graf verlas einen Faymann-Brief an den umstrittenen Walter Marinovic. Der Grünen-Abgeordnete Walser protestierte gegen die Veranstaltung.

Wien. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, auch Journalisten waren zahlreich erschienen. Andere Autoren müssen eine PR-Maschinerie in Gang setzen, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu erzielen. Andreas Mölzer lud sich zur Buchpräsentation einfach einen Laudator ein, der laut Dokumentationsarchiv „kaum Berührungsängste zum Nationalsozialismus" hat. „Europa 2084 - Orwell lässt grüßen" heißt das Werk, das der freiheitliche EU-Mandatar am Mittwoch im Parlament vorstellte. Doch das öffentliche Interesse galt schon Tage zuvor weniger Mölzers publizistischem Schaffen, sondern vielmehr dem Auftritt des umstrittenen Walter Marinovic.

„Wer Bücher verdammt, ohne sie gelesen zu haben, schrammt knapp an der Bücherverbrennung vorbei", sagte Martin Graf, Dritter Nationalratspräsident, zu Beginn. Danach zitierte er aus einem Dankesbrief Werner Faymanns an seinen früheren Gymnasiallehrer Marinovic, der ihm zur Angelobung gratuliert hatte, worüber sich der Kanzler „in besonderer Weise gefreut" habe.

Marinovic' Rede mit dem Titel „Arminius befreite 09 Germanien von den Römern - wovon befreien wir uns 2000 Jahre danach?" geriet dann relativ unspektakulär, er hatte zuvor selbst angemerkt, dass er diesmal „ein wenig vorsichtiger" sein werde.

„Diktatur der Political Correctness"

Nach einem Vortrag über die „Globalisierung" der Römischen Imperiums und die Varus-Schlacht, gewürzt mit einer Prise Antiamerikanismus und EU-Ablehnung, prangerte er die „Umerziehung" und die „Diktatur der Political Correctness" an. „Profit, Wellness und Sex sind die neuen Götzen", fügte er hinzu. Die „Zwietracht" sei leider „das unselige Erbe der Deutschen". Mit dem Worten „Es lebe Arminius, es lebe die Freiheit!", schloss Marinovic. Danach rückte der Historiker Lothar Höbelt - gewohnt launig - zur Verteidigung der USA aus.

Offiziell eingeladen hatten Martin Graf, der Parlamentsklub der FPÖ und deren Bildungsinstitut. Der Grünen-Abgeordnete Harald Walser protestierte dagegen in der Säulenhalle im T-Shirt mit der Aufschrift „Eure Schande heißt Martin Graf". FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war nicht zugegen. Er verteidigte Marinovics Auftritt zuvor im Gespräch mit der „Presse": „Ich habe ihn als integren Gymnasialprofessor kennengelernt." Gegen Marinovic liege strafrechtlich nichts vor. Ist Martin Graf, der nun zum wiederholten Mal bewusst am rechten Rand angestreift ist, als Nationalratspräsident weiter tragbar? „Er ist unser Präsident", sagte Strache. Er übe diese Funktion tadellos und rechtschaffen aus. Es sei bedauerlich, dass gegen Graf ständig „Gesinnungsterror" betrieben werde.

Walter Marinovic, pensionierter AHS-Lehrer, ist langjähriger Autor der rechten „Aula" und anderer Publikationen der rechten Szene. Er trat als Redner bei der rechtsextremen AFP auf sowie beim ebenso einschlägigen Verein Dichterstein Offenhausen. In einem Aufruf, den Marinovic unterzeichnet hatte, ist davon die Rede, dass das „Erbe des deutschen Volkes" durch die „Wahnvorstellung der multikulturellen Gesellschaft" bedroht" sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2009)

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