Rot-Grün in Wien: Paartherapie als Vassilakous Schicksal

Häupl und Vassilkaou trafen sich zum Krisengespräch
Häupl und Vassilkaou trafen sich zum KrisengesprächAPA/GEORG HOCHMUTH
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Michael Häupl und Maria Vassilakou sprechen nach dem Koalitionskrach wieder miteinander. Die interne Position der grünen Parteichefin ist fragil.

Wien. Wenn zwei Partner nur noch schriftlich miteinander kommunizieren, ist es Zeit zum Reden. Oder für einen Paartherapeuten. Bürgermeister Michael Häupl und seine grüne Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, haben sich für ein Gespräch entschieden. Ohne Paartherapeuten zwar. Aber immerhin mit Unterstützung durch Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler (SPÖ) und Klubobmann David Ellensohn sowie Landessprecher Georg Prack (beide Grüne).

Am späten Donnerstagnachmittag ging dieses Zehn-Augen-Gespräch im Rathaus über die Bühne – nachdem Vassilakou Häupl einen Brief geschrieben hatte, in dem sinngemäß stand: „Wir müssen reden.“ Nach dem eineinhalbstündigen Treffen meinte Vassilakou sibyllenhaft: „Es kommt der Tag, an dem Emotionen keine Rolle mehr spielen.“ Häupl wurde ein wenig deutlicher: „Wir haben uns gegenseitig bestätigt, die Arbeit dieser Periode zu Ende zu führen.“ Also: Die rot-grüne Koalition soll nicht vor dem anvisierten Wahltag 11. Oktober beendet werden. Gleichzeitig einigten sich Rot-Grün, noch offene Punkte auf Chefebene zu entscheiden.

„Riss“ durch die grüne Partei

Dies war das erste Gipfeltreffen seit dem großen Koalitionskrach, den ?enol Akkılıç mit seinem Wechsel von den Grünen zur SPÖ ausgelöst hatte – wodurch die Häupl-Partei jede Änderung beim Wahlrecht blockieren kann. Auch bei der Kommunikation gab es Gesprächsbedarf: Dem Vernehmen nach war Häupl wenig begeistert, dass die Medien noch vor ihm von Vassilakous Brief erfahren haben.
Die grüne Parteichefin steht parteiintern unter enormem Druck. „Es geht ein Riss durch die Partei“, meint ein hochrangiger Grüner, der nicht genannt werden möchte.

Derzeit gebe es zwei Gruppen. Die erste rund um Vassilakou und Planungssprecher Christoph Chorherr wolle trotz allem die Koalition fortführen. Ein Grund: Es sind noch viele grüne Projekte offen. Beispielsweise die Fertigstellung der Mariahilfer Straße und zahlreiche Umwidmungen. Dazu kommt: Der engste Kreis um Bundessprecherin Eva Glawischnig, parteiintern gern „Zentralkomitee“ genannt, will ein Scheitern von Rot-Grün unbedingt verhindern. Und macht massiven Druck, bestätigt ein ranghoher Grüner. Wobei Glawischnig bereits offiziell erklärt hatte, sie sei trotz des SPÖ-Fouls für eine Fortsetzung der rot-grünen Stadtregierung.

Die zweite Gruppe, die für ein sofortiges Ende von Rot-Grün ist, hat sich um Klubchef David Ellensohn gebildet, der das Wahlrecht mit der SPÖ verhandelt hat. Und der jetzt massiven Druck gemacht hatte, die Koalition sofort zu beenden. „Er ist fuchsteufelswild“, ist in grünen Kreisen zu hören: „Er hat den Kampf um das Wahlrecht verloren, womit er nicht gerechnet hat. Er wurde von der SPÖ (als Verhandler, Anm.) völlig desavouiert.“ Nachsatz: „Und mit dem Wechsel von Akkılıç hat er als Klubchef sein Gesicht verloren.“

Abstimmung zeigt Spaltung

Ellensohn, der sich diese Behandlung nicht gefallen lassen will, hat einige Unterstützer. Die wichtigsten kommen dem Vernehmen nach aus Kreisen, die früher Fundis genannt wurden. Das Ergebnis der Sonder-Landeskonferenz, bei der Vassilakous Kurs abgesegnet wurde, zeigt die Spaltung: 21 Delegierte stimmten für die Fortführung der Koalition, zwei dagegen, sechs enthielten sich. Was Landessprecher Georg Prack als „eindeutige Mehrheit“ sieht, kommentiert ein Grüner so: „Eine Enthaltung für Marys Kurs (so wird Vassilakou intern genannt) ist ein Nein.“ Nachsatz: „Das sind Leute, die sich nicht getraut haben, dagegenzustimmen.“ Befürworter für ein sofortiges Ende der Koalition sprechen von „Feigheit vor dem Freund“. Nachsatz: „Man muss nur auf Facebook schauen, was einige von uns dort posten.“

Die Situation ist für Vassilakou ein Drahtseilakt. Bei einer weiteren Demütigung könnte das Kräfteverhältnis kippen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2015)

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