Schultes: "TTIP ist Chance für heimische Unternehmen"

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Der Präsident der Landwirtschaftskammer, Hermann Schultes, hofft auf eine Öffnung des US-Markts für Lebensmittel aus der EU, warnt aber vor namenlosen Handelsmarken, die traditionelle Herkunftsbezeichnungen ersetzen könnten.

Die Presse: Ein großer Teil der österreichischen Bevölkerung lehnt derzeit das Handelsabkommen mit den USA ab. Darunter sind mit Sicherheit auch viele Bauern. Ist aus Ihrer Sicht TTIP eher eine Chance oder ein Risiko für die heimische Landwirtschaft?

Hermann Schultes: Ein gut verhandeltes Abkommen wird für Europa Erleichterungen bringen. Selbstverständlich auch für Unternehmen in Amerika. Und es wird durchaus Chancen für leistungsfähige heimische Unternehmen bringen, neue, kaufkräftige Kunden zu finden.

Hat Österreichs Agrarwirtschaft Chancen, ihren Absatz in den USA zu steigern?

TTIP selbst ist ja ein Abkommen, das im Wesentlichen den nicht landwirtschaftlichen Sektor abdeckt. Die Landwirtschaft ist eine Randgröße. Das macht es für uns zum einen leicht, zum anderen gefährlich. Es könnte nämlich sein, dass TTIP abgeschlossen wird, ohne die Sonderbereiche der Landwirtschaft zu regeln. Allerdings sind wir mittlerweile so gut im Gespräch, dass ich diese Sorge nicht mehr habe. Uns ist vor allem wichtig, dass die heimischen Standards, der gentechnikfreie Anbau, abgesichert werden.

Und wie steht es mit den Chancen für neue Absatzmärkte?

Für die österreichische Landwirtschaft ist vor allem wichtig, dass unsere verarbeitenden Unternehmen diese Chancen wahrnehmen. Österreichischer Weizen, österreichische Milchprodukte stehen schon heute im Wettbewerb zu Produkten aus den USA, Kanada oder Australien. Wichtig ist für uns, dass für die Verarbeiter neue Spielregeln geschaffen werden. Und ob es damit gelingt, die in den USA bestehende Diskriminierung unserer Qualitätsstandards aufzulösen.

An welche Bereiche denken Sie da?

Die USA werden sich durch uns nicht ihre Gesetze ändern lassen. Bundesstaaten, in denen Alkohol nur eingeschränkt verkauft werden kann, wird es weiterhin geben. Aber es geht darum, dass die Amerikaner unsere Lebensmittelstandards, unsere Qualitätsstandards in der Produktion als gleichwertig mit ihren eigenen Regeln anerkennen. Es geht darum, dass unsere Produkte nicht durch Prüfvorgänge müssen, obwohl sie bereits in Europa mit größtmöglicher Genauigkeit geprüft wurden.

Die USA sind in den Verhandlungen bisher gegen Herkunftsbezeichnungen für Agrarprodukte aufgetreten. Wird das für Österreich akzeptabel sein?

Das ist ein sehr kritischer Punkt. Ich gehe davon aus, dass Frankreich diese geografischen Angaben schützen möchte. Österreich verlangt es auch.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Bei uns entspricht der Grüne Veltliner, die Wachauer Marille oder der Tiroler Speck dem Herkunftsrecht. Für uns ist das eine wichtige Bezeichnung. In den USA ist das nicht von Bedeutung. Dort hat etwas eine Marke, wenn eine bekannte Firma dahintersteht. Uns interessiert aber nicht der Name der Fabrik, sondern die Region, die Tradition, die für eine bestimmte Qualität stehen.

Ist die Angst berechtigt, dass die USA mit Fleisch- oder Getreideexporten den europäischen Markt überschwemmen werden?

Angst ist in der Wirtschaft immer ein schlechter Ratgeber. Wir leben von unseren Kunden, die unsere Produkte kennen, wertschätzen und auch bereit sind, für diese Qualität zu bezahlen. Gefährlich wäre es, wenn wir selbst namenlose Handelsmarken pushen, bei denen der Kunde nicht mehr weiß, woher das Produkt kommt. Und letztlich die Gefahr besteht, dass etwas anderes drin ist, als es der Kunde erwartet.

Ist das nicht eher eine pädagogische Aufgabe, den Kunden zu erziehen, als den Handel zu regulieren?

Na ja. Es ist kein Wunder, dass in Österreich eine heftige Diskussion darüber entstanden ist. Denn es gibt kein anderes Land in Europa, das eine solche Handelskonzentration im Lebensmittelsektor hat, mit einem so hohen Anteil an Eigenmarken des Handels. Derzeit sind wir froh, wenn noch ein AMA-Gütesiegel auf den Produkten ist. Aber wir haben nicht mehr in der Hand, wie das auf Dauer gestaltet wird.

Die österreichische Landwirtschaft ist klein strukturiert. Hätte sie gegen Konkurrenz aus den USA überhaupt eine Chance?

Die Produkte, die unsere Bauern herstellen, bringen wir vor allem über Genossenschaften auf den Markt. Uns gelingt es durch die gute Ausbildung unserer Bauern, durch die starke Rolle der Landwirtschaftsverbände und Genossenschaften, Produkte zu Wettbewerbspreisen anzubieten. Wir wissen aber, dass wir nicht überleben, weil wir die billigsten sind, sondern weil die kleineren und etwas größeren Betriebe hochwertige Qualität liefern. Beispielsweise halten wir mit Milchprodukten bereits heute auf fremden Märkten mit.

Aber es ist eine Realität, dass immer mehr kleine Agrarbetriebe in Österreich zusperren und nur größere lebensfähig sind.

Da müssen Sie aufpassen. Es ist tatsächlich so, dass es seit 30 Jahren einen Strukturwandel in der Landwirtschaft gibt. Daran hat sich jetzt aktuell aber nichts geändert. Das hängt von vielen Faktoren, etwa der Nachfolge innerhalb der Familie, ab.

Also anders gefragt: Wie müsste eine heimische Landwirtschaft aussehen, die dem möglichen Konkurrenzdruck durch TTIP gewachsen ist?

Den größten Konkurrenzdruck machen sich die Bauern untereinander selbst. Denn der größte Kostenfaktor, den wir heute haben, ist der Preis des Pachtgrundes. Ein weiterer großer Kostenfaktor sind die Kosten für die Sozialversicherung. Wenn wir hier das Maß nicht verlieren, werden bäuerliche Betriebe auch weiterhin bestehen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2015)

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