"Softie" Obama und die Früchte seiner Entspannungspolitik

In der Außenpolitik ist der US-Präsident gewillt, den Freiraum zu nutzen und die Versprechen einzulösen – gegenüber Erzfeinden wie dem Iran und Kuba.

Spätestens in einigen Wochen wird Barack Obama in der US-Innenpolitik zur Randnotiz verkommen sein, alles wird sich um seine präsumtiven Nachfolger drehen, um den Vorwahlkampf von Hillary Clinton, Jeb Bush und Konsorten. Ob Chris Christie, der schwergewichtige Gouverneur von New Jersey, aufseiten der Republikaner antreten wird, oder Marco Rubio, der kubanischstämmige Senator und Shootingstar aus Florida, sowie ihre Vorgeschichte in all ihren Facetten – all dies wird die öffentliche Debatte in den USA bestimmen, und viel weniger das, was der aktuelle Amtsinhaber im Weißen Haus treibt.

Innenpolitisch ist der Spielraum für den Präsidenten seit dem Wahlsieg der Republikaner bei den Kongresswahlen im Herbst ohnehin bereits erheblich eingeschränkt. Umso mehr ist er gewillt, den Freiraum in der Außenpolitik zu nutzen, dem traditionellen Revier jedes US-Präsidenten am Ende seiner Amtszeit. Es eröffnet die Chance, mit einem historischen Abkommen oder einem Friedenspakt in die Annalen einzugehen. Mitunter übernimmt sich ein Präsident bei einem solchen Kraftakt wie Bill Clinton, der im Sommer 2000 im Refugium von Camp David Israelis und Palästinenser zum Frieden zwingen wollte.

In den vergangenen Wochen und Monaten hat Obama die Weichen freilich geschickt gestellt. Die ambitionierte Nahost-Friedensinitiative seines Außenministers, John Kerry, ist zwar wegen zähen Widerstands versandet, und die Beziehungen zu Israel – dem „51. US-Bundesstaat“, wie es in den USA in Kreisen von Thinktanks und Universitäten oft ein wenig spöttisch heißt– sind an einem Tiefpunkt angelangt. Das hat vor allem mit der Öffnung der Supermacht gegenüber einem Erzfeind Washingtons und Jerusalems zu tun: dem Mullah-Regime in Teheran.


Obama selbst hat sich mit aller Kraft dafür eingesetzt, in der „Überspielzeit“ in Lausanne einen Atomdeal mit dem Iran zu erzielen, der Israels Premier, Benjamin Netanjahu, ganz und gar nicht ins Konzept passt. Noch torpedieren auf allen Seiten Störmanöver die Übereinkunft: Israel mahnt Nachbesserungen ein, und die Hardliner in Washington und Teheran warten nur auf eine günstige Gelegenheit, vorzupreschen und den Deal zu durchlöchern. Währenddessen versucht die Führung im Iran, Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei und Präsident Hassan Rohani, das Maximum aus dem Nuklearabkommen herauszuholen – eine sofortige Aufhebung der Sanktionen, was dem Geist des Pakts von Lausanne indes explizit widerspricht. Noch sind nicht alle Fußangeln beseitigt, doch die USA demonstrieren derweil Gelassenheit. Wie CIA-Chef John Brennan in Harvard jüngst analysiert hat, hat der ökonomische Druck der Sanktionen den Iran in die Knie gezwungen.

Zugleich erhöhen die Avancen der Regionalmacht Iran das Chaos im Nahen Osten. Im Jemen, im Süden der arabischen Halbinsel, bekämpft der US-Verbündete Saudiarabien die mit dem Iran im Bunde stehenden Houthi-Rebellen. Die Fronten in der Region verlaufen kreuz und quer: Im Irak steht der Iran den Truppen der schiitisch dominierten Regierung zur Seite, in Syrien stützt der schiitische Gottesstaat indessen das Assad-Regime und die Hisbollah-Milizen. Unter Obama und den Auspizien des Arabischen Frühlings ist das nahöstliche Tohuwabohu größer geworden.


Viel einfacher dürfte sich dagegen die Annäherung gegenüber Kuba gestalten, dem zweiten Erzfeind und einem bizarren Relikt des Kalten Kriegs. Auch das kommunistische Castro-Regime steht vor dem Kollaps, und noch mehr als Teheran ist Havanna auf die Hilfe aus Washington angewiesen. Im Keim sprießen bereits die Beziehungen zu den einst so verhassten Yankees, bald dürften auch die diplomatischen Beziehungen nach mehr als 50-jähriger Eiszeit wiederhergestellt sein. Die Streichung Kubas von der US-Terrorliste ist lediglich eine Routinesache, nur die Rückgabe von Guantánamo Bay entspringt einem Wunschdenken Kubas.

Beim Panamerika-Gipfel in Panama werden Obama und Raúl Castro heute die überfällige Annäherung besiegeln, die mit einem demonstrativen, jedoch eher beiläufigen Shakehands beim Mandela-Begräbnis in Johannesburg vor 16 Monaten begonnen hat – so wie Obama der Führung in Teheran mit einem Grußwort zum Newroz-Fest, dem persischen Neujahrsfest, 2009 ostentativ die Hand zur Aussöhnung hingehalten hat. Hier wie dort machen sich die Gesten nun bezahlt; die symbolische Politik mündete in konkreten Verhandlungen, und der als außenpolitischer Schwächling und Softie verhöhnte US-Präsident könnte am Ende doch noch das Versprechen einlösen, das der vorzeitige Friedensnobelpreis verheißen hatte. Am Vorabend des Panamerika-Gipfels hatte Obama daher allen Grund, lässig und entspannt das Bob-Marley-Museum in Jamaika zu besuchen – ganz ohne Marihuana- oder Weihrauchschwaden.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2015)

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