Was das neue Erbrecht bringt

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Entwurf. Justizminister Brandstetter will die Weitergabe von Vermögen im Todesfall reformieren. Nicht alle vorgeschlagenen Neuerungen überzeugen; beim Pflichtteil droht neue Ungerechtigkeit.

Wien. Justizminister Wolfgang Brandstetter will das Erbrecht reformieren. Bis 4. Mai ist ein Gesetzesentwurf des Justizministeriums in Begutachtung, der nicht nur inhaltliche Neuerungen bringt, sondern der das gesamte Erbrecht neu schreibt. Das „Erbrechts-Änderungsgesetz 2015“ streicht antiquierte Begriffe, beseitigt Widersprüche und füllt Lücken. Die von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Rechtssätze werden eingearbeitet. Der Entwurf geht auch auf Vorschläge zurück, die der Wiener Univ.-Prof. Rudolf Welser in einem Gutachten für den 17. Österreichischen Juristentag 2009 unterbreitet und zur Diskussion gestellt hat.

► Testamente. Für das fremdhändige, also nicht vom Erblasser handschriftlich verfasste, Testament genügt die Unterschrift des Erblassers nicht mehr. Er hat durch eigenhändig geschriebenen Zusatz die Urkunde als letzten Willen zu bekräftigen. Damit soll das Testament fälschungssicherer sein. Ob dies zutrifft, ist zu bezweifeln. Außerdem erhöht das zusätzliche Formerfordernis die Gefahr, dass ungültige Testamente geschrieben werden.
Letztwillige Anordnungen zu Gunsten von Angehörigen (z. B. Ehegatten) sollen nach Auflösung des Verhältnisses (Scheidung) als aufgehoben gelten. Klarzustellen wäre, ob dies z. B. auch für die Nennung als Begünstigter einer Lebensversicherung gilt.

► Gesetzliches Erbrecht. Sein Erbrecht verwirkt auch, wer gegen nahe Angehörige des Erblassers eine strafbare Handlung begeht (statt gegen den Erblasser selbst). Damit wird eine bedeutsame Lücke geschlossen.
Das gesetzliche Erbrecht von (Ehe-)Partnern wird erweitert. Sie müssen den Nachlass nur mehr mit Eltern und Kindern des Erblassers teilen. Geschwister oder Großeltern fallen als Miterben weg.

Ein Lebensgefährte erbt, wenn gesetzliche Erben nicht zum Zug kommen. Das ist fair, wenn die Erbschaft ansonsten an den Staat geht. Problematisch ist, dass der Entwurf dieses Recht vor dem außerordentlichen Erbrecht von Vermächtnisnehmern reiht: Hat der Verstorbene seinen Lebensgefährten übergangen, aber bestimmte Personen bedacht, so spräche einiges dafür, dass diese alles erben.

Ausgleich für Pflegende

Völlig neu ist ein Anspruch zum Ausgleich von Pflegeleistungen, die in der letzten Phase vor dem Tod erbracht wurden. Er gebührt nur nahen Angehörigen (nicht Fremden). Angemessen abzugelten ist umfassende Mühe der letzten drei Jahre. Im Ergebnis wird damit das Pflegegeld an den Pflegenden durchgereicht. Ein Missbrauch ist nicht zu befürchten.

► Pflichtteilsrecht. Der Pflichtteil bleibt erhalten. Es ist ein bestimmter Anteil am Erbe, den Angehörige auch dann bekommen müssen, wenn sie in einem Testament nicht bedacht wurden. Berechtigt sind nur Nachkommen und Ehegatten bzw. eingetragene Partner. Auch wenn während eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Tod kein übliches Naheverhältnis bestanden hat, kann der Anspruch auf die Hälfte gemindert werden.

Die Idee des Pflichtteils besteht darin, dem Berechtigten eine Mindestbeteiligung am „Familienvermögen“ zu sichern. Sie soll nicht durch Zuwendungen zu Lebzeiten unterlaufen werden. Diese werden zum Nachlass addiert und auf den so ermittelten Pflichtteil angerechnet. Insofern wird ein Ausgleich zwischen den Pflichtteilsberechtigten geschaffen und der Erbe entlastet. Das neue Recht setzt dieses System besser um. Die Tatbestände im alten Recht waren unklar und lückenhaft. Das Zwischenschalten von Stiftungen, Geschenke an nicht konkret berechtigte Enkelkinder oder Personen, die auf ihren Pflichtteil verzichtet hatten, bot Spielraum für Umgehungen.

Schenkungen zu Lebzeiten

Schenkungen, die nicht als Vorschuss gewidmet waren, wurden nur insoweit angerechnet, als auch der von der Anrechnung betroffene Beschenkte einen fehlenden Pflichtteil verlangte. Diese Unzulänglichkeiten werden behoben. Alle unentgeltlichen Zuwendungen werden gleich behandelt. Auch die Widmung von Vermögen an eine Stiftung oder die Einräumung einer Begünstigtenstellung werden einbezogen (Letzteres wirft allerdings schwierige Bewertungsfragen auf).

Zu kritisieren ist, dass Schenkungen (auch solche an Pflichtteilsberechtigte), die länger als zehn Jahre zurückliegen, generell nicht hinzu- und angerechnet werden. Die Erläuterungen begründen dies mit dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit. Das ist nicht schlüssig. Wenn der Erblasser sein Vermögen an Kinder ungleich verschenkt, kann der größere Teil aus der Frist herausfallen, der kleinere jedoch erfasst bleiben. Wer solcherart mehr bekommt, hat am Ende noch Ausgleichsansprüche gegen geringer Bedachte. Das wäre ungerecht und noch zu überdenken.

Ausführlicher geregelt wird, dass der Pflichtteil nicht in Geld bestehen muss und (innerhalb von fünf Jahren) anders hinterlassen werden kann. Eine schlechtere Verwertbarkeit muss hingenommen werden (die Materialien nennen als Beispiel eine nicht liquide Unternehmensbeteiligung). Sie schlägt sich in der Bewertung nieder und ist in Cash (ein Jahr nach dem Tod bzw. nach Feststellung der Unterdeckung in fünf Jahren) auszugleichen. Eine Stundung (bis fünf Jahre) kann der Erblasser anordnen oder das Gericht bewilligen (verlängerbar auf höchstens zehn Jahre). Das schafft Erleichterung für Familienunternehmen oder Erben, die auf das Wohnhaus angewiesen sind.

Der Entwurf bestimmt aber auch, dass vom Erblasser angeordnete verwertungsschädliche Bedingungen oder Belastungen anfechtbar sind. Deren Abgrenzung von Einschränkungen der Verwertbarkeit, die sich aus der Natur der Sache ergeben und akzeptiert werden müssen, kann strittig sein. Dann bliebe unsicher, ob eine geldfremde Pflichtteilsdeckung „hält“.

Dr. Alexander Hofmann ist Rechtsanwalt in Wien; www.hofmannlaw.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2015)

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