Bei dem folgenschwersten Grubenunglück in der Geschichte der Türkei vor einem Jahr kamen 301 Bergleute ums Leben. Nun soll die Katastrophe aufgeklärt werden.
In der Türkei hat am Montag der Prozess zur Katastrophe im Bergwerk von Soma, bei dem am 13. Mai vergangenen Jahres 301 Bergleute ums Leben gekommen waren, begonnen. Wegen Platzbeschränkungen im Saal sei es zu Protesten von Angehörigen gekommen, berichtete die türkische Zeitung "Hürriyet". In dem Prozess in der Stadt Akhisar geht es um die Verantwortung für das schlimmste Industrieunglück der Geschichte des Landes.
45 Angeklagte müssen sich vor Gericht verantworten. Dem Vorstandsvorsitzenden der Betreibergesellschaft der Zeche, Can Gürkan, und sieben weiteren Angeklagten drohen lebenslange Haftstrafen. Ihnen wird unter anderem Totschlag vorgeworfen.
Die Ermittler gehen davon aus, dass ein Brand unter Tage die Katastrophe am 13. Mai 2014 ausgelöst hatte. Vier Tage lang hatten Angehörige und Überlebende gehofft, dass eingeschlossene Kumpel aus dem Stollen gerettet würden, bis die Bergungsarbeiten für abgeschlossen erklärt wurden. Insgesamt 485 Bergleute hatten überlebt. 160 wurden verletzt.
Regierung sieht sich nicht in Verantwortung
Die Regierung wies jede Verantwortung für das Unglück von sich. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan - damals noch Ministerpräsident - spielte die schlechte Sicherheitsbilanz der Kohlebergwerke in der Türkei herunter. "Solche Unfälle passieren ständig", sagte er damals. Nach der Katastrophe gab es in mehreren türkischen Städten Proteste, bei denen Tausende Demonstranten den Rücktritt der Regierung forderten.
Bisher habe die Regierung den Chefanklägern die Erlaubnis vorenthalten, Verfahren gegen staatliche Mitarbeiter zu eröffnen, sagte Emma Sinclair Webb, Türkei-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Den Staatsanwälten werde bei den Untersuchungen keine freie Hand gelassen, kritisierte sie.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch hatten nach dem Unglück scharfe Kritik an den Arbeitsbedingungen in türkischen Gruben geübt. Nach Angaben der Betreibergesellschaft Soma Holding hatten die Behörden das Bergwerk alle sechs Monate kontrolliert und bei der letzten Prüfung vor der Katastrophe im März 2014 keine Unregelmäßigkeiten festgestellt.
In der Kohlemine in der westlichen Provinz Manisa waren nach dem Ausbruch eines Feuers binnen Minuten hunderte Arbeiter an giftigen Gasen erstickt.
(APA/AFP)