"Seine Hände waren schmutzig": Kritische Stimmen zu Günter Grass aus Israel

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Der Verband hebräischsprachiger Schriftsteller drückte seine Trauer aus, meint aber, Grass habe einen "modernen Kreuzzug" gegen Israel geführt.

Der im Alter von 87 Jahren gestorbene Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass hat mit seiner Israel-Kritik nach Ansicht eines israelischen Historikers eine Grenze überschritten. Viele Israelis, die seine Bücher sehr schätzten, hätten sich dadurch verletzt gefühlt, sagte Moshe Zimmermann dem israelischen Rundfunk am Montag rückblickend und als Reaktion auf den Tod von Grass.

Der Deutschland-Kenner Zimmermann gilt selbst als Kritiker der israelischen Regierungspolitik. Grass habe als Deutscher, der während der Nazi-Herrschaft lebte, nicht als objektiver Kritiker auftreten können. "Er konnte dies nicht mit sauberen Händen tun", sagte Zimmermann dem Sender: "Seine Hände waren schmutzig." Nicht nur literarisch, sondern auch aus historischer Sicht seien Grass' Bücher mit ihren autobiografischen Botschaften faszinierend gewesen, sagte Zimmermann. "Er hat das "Dritte Reich" von innen beleuchtet."

Einreiseverbot für Günter Grass

Israel hatte Grass 2012 zur Persona non grata erklärt und ein Einreiseverbot gegen ihn verhängt. Damit reagierte der jüdische Staat auf seinen Vorwurf, die Atommacht Israel gefährde den Weltfrieden und könne den Iran mit einem Erstschlag auslöschen.

Der Verband hebräischsprachiger Schriftsteller in Israel hat seine Trauer über den Tod des deutschen Nobelpreisträgers Günter Grass ausgedrückt. "Grass war ein Schriftsteller, der viel zur internationalen Literatur beigetragen hat", hieß es in einer Mitteilung des Vorsitzenden Herzl Chakak am Montag.

Aus Sicht des israelischen Verbands bleibe Grass jedoch auch nach seinem Tod ein umstrittener Autor. Grass habe eine politische "Delegitimierungskampagne" gegen Israel geführt, teilte Chakak der dpa mit. "Bis zu seinem Tod hat Günter Grass keine Reue über seine harten anti-israelischen Äußerungen gezeigt." Mit seinem israel-kritischen Gedicht habe Grass vor drei Jahren einen "modernen Kreuzzug" gegen den jüdischen Staat geführt.

Es sei auch unverzeihlich, dass Grass während der Nazi-Zeit selbst SS-Mitglied war. Im literarischen Gedenken an Grass dürfe auch in Zukunft nie vergessen werden, "dass er das einzige Land angegriffen hat, das als Heimstätte für das jüdische Volk gegründet wurde".

Im letzten Jahr habe er noch die leise Hoffnung gehegt, Grass könnte Reue zeigen, schrieb Chakak. "Hätte er es getan, hätte er die Spuren des Hakenkreuzes auf seinen Kleidern etwas verwischen können. Leider hat er bis zu seinem Tod den Kreuzzug gegen Israel fortgesetzt, und dies ist unverzeihlich!"

(APA/dpa)

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