Die Koalition will klarstellen, wann Verantwortlichen kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden darf. Auch beim „Grapsch-Paragrafen“ sucht man nach konkreteren Worten.
Wien. Compliance-Regeln, die überbordend sind. Manager, die aus Furcht vor dem Strafrecht Entscheidungen so lang hinauszögern, dass ihre Firma Nachteile erleidet. Das sind Szenarien, die die Koalition verhindern will. Und zwar mit einer gesetzlichen Klarstellung, wie SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim und sein ÖVP-Pendant, Michaela Steinacker, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag erklärten.
Der Tatbestand der Untreue bleibt im Zuge der großen Novelle des Strafgesetzbuchs (StGB) zwar grundsätzlich gleich: Wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch jemanden am Vermögen schädigt, muss mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen. Die Schadenssumme, ab der die Höchststrafe gilt, steigt aber auf mehr als 500.000Euro. Der Begriff des Befugnismissbrauchs selbst soll im StGB definiert werden. Nur wer „in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen“, ist strafbar. Dazu kommen Klarstellungen in den zivilrechtlichen Normen für AG und GmbH: Wer sich bei „einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“, ist aus dem Schneider.
Judikatur kommt ins Gesetz
Die Neuerung im Gesetz ist nicht revolutionär, fasst sie doch die Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH) zur Untreue zusammen. Das Gesetz soll aber dafür sorgen, dass viele Manager gar nicht erst zu zittern beginnen. Redliches wirtschaftliches Scheitern müsse erlaubt sein, sagen die Justizsprecher.
Nicht selten habe bisher nämlich erst der OGH die Unschuld festgestellt, wie Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs bei der Pressekonferenz erklärte. Der Jurist arbeitete an der Neufassung der Untreue-Regeln mit. Nun sei klar, wann Manager jedenfalls straffrei seien. „Man kann auch eine Ampel übersehen und trotzdem bei Grün über die Straße fahren“, erklärte Fuchs. Dann dürfe es aber keine Sanktion geben.
Präzisere Formulierungen sucht die Koalition auch noch beim §218 StGB, vulgo „Po-Grapsch-Paragraf“. Juristen, darunter auch Fuchs, hatten davor gewarnt, dass der Paragraf wegen unklarer Formulierungen sogar Umarmungen strafbar machen könnte. Laut dem Gesetzentwurf soll künftig nämlich nicht nur (wie bisher) die Belästigung durch eine ungewünschte geschlechtliche Handlung strafbar sein. Sondern auch bereits „eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung“.
Fuchs erklärte am Dienstag, dass man etwa das Wort „vergleichbar“ überdenken müsse, denn vergleichen könne man ja immer alles mit allem. Auch Steinacker erklärte, dass die jetzige Formulierung im Entwurf „sehr viel offen lasse“. Wie Jarolim erklärte Steinacker, für Ideen, wie man den Tatbestand präzisieren kann, offen zu sein. Beide betonten aber auch, dass die geplante Verschärfung im Sexualstrafrecht nötig sei.
Justiz will Qualität steigern
Unabhängig von der StGB-Reform arbeitet das Justizministerium daran, die Qualität in der Justiz zu steigern. Am Dienstag wurden die ersten Ergebnisse des Projekts vorgestellt – fußend auf Informationen von Leuten, die beruflich mit der Justiz zu tun haben (etwa in juristischen Berufen, als Journalisten oder als Justizbedienstete). Konstatiert wurde, dass für viele Menschen die Sprache der Justiz zu unverständlich ist. Aber auch ganz simple Dinge sind ans Tageslicht gekommen: Etwa, dass bei manchen schon ein Befangenheitsverdacht aufkeimt, wenn sie zum ersten Mal im Leben einen Gerichtssaal betreten und sehen, wie dort Staatsanwalt und Richter scheinbar gemeinsam warten. Aber auch infrastrukturelle Probleme (fehlende Steckdosen, kein Handyempfang in Gerichtsgebäuden) wurden bemängelt.
AUF EINEN BLICK
Per Gesetz will die Koalition Managern die Angst nehmen, wegen unternehmerischer Fehlentscheidungen strafbar zu sein. Im Strafgesetzbuch und in den zivilrechtlichen Vorschriften für die AG und die GmbH soll nun klargestellt werden, wann man jedenfalls korrekt gehandelt hat. Wer davon ausgehen durfte, zum Wohle des Unternehmens zu handeln, bleibt straffrei. Durch die Wirtschaftskrise waren die Fälle, in denen die Justiz den Tatbestand der Untreue (bis zu zehn Jahre Haft) prüfte, stark angestiegen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2015)