Oppositionsführer: Türkei auf dem "Weg in den Faschismus"

Deniz Baykal
Deniz Baykal(c) AP (Murad Sezer)
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CHP-Chef Deniz Baykal will die Akademiker-Verhaftungen im Zuge der Ergenekon-Affäre bei EU zur Sprache bringen. Den Akademikern wird eine Verwicklung in Putschpläne gegen Premier Erdogan vorgeworfen.

Der türkische Oppositionsführer Deniz Baykal hat scharfe Kritik an der Regierung wegen ihres Vorgehens in der Ergenekon-Affäre geübt. Im Zuge der jüngsten Verhaftungswelle waren zahlreiche namhafte Akademiker festgenommen worden, denen eine Verwicklung in Putschpläne gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vorgeworfen wird.

Baykal, Chef der "Republikanischen Volkspartei" (CHP), kündigte nach Angaben der Zeitung "Hürriyet" an, er werde die internationale Gemeinschaft über die politischen Motive der "extralegalen" Ergenekon-Ermittlungen informieren. Auch werde er die Angelegenheit gegenüber der EU zur Sprache bringen. "Das ist der Weg in den Faschismus", sagte Baykal bei einem Treffen des CHP-Vorstandes am Mittwoch.

Namhafte Kemalisten festgenommen

Nach Medienberichten wurden am Montag Dutzende Verdächtige festgenommen, darunter der Rektor der Baskent-Universität von Ankara, Mehmet Haberal, sowie zwei Ex-Rektoren anderer Universitäten. Die türkische Universitäts-Bürokratie ist eine Hochburg der Kemalisten, die sich als Bewahrer der säkulären Werte von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk sehen und die Erdogan als Islamisten betrachten.

Die Festgenommenen sollen mit der ultranationalistischen Gruppe Ergenekon in Verbindung stehen, deren Name sich auf die mythische Urheimat der Türken bezieht. Die Gruppe, der mehrere hochrangige Ex-Generäle angehören sollen, plante nach Ermittlungen der Istanbuler Staatsanwaltschaft einen gewaltsamen Umsturz der Erdogan-Regierung.

Dokumentation für die EU

Die CHP will eine Dokumentation zu den Ergenekon-Ermittlungen anlegen, der den EU-Botschaftern anlässlich eines Banketts zu Ehren Baykals voraussichtlich am 20. April in Tschechien übergeben werden soll. Der wahre Grund für die Verhaftungen sei die Ablehnung "moderner Erziehung" und des kemalistischen "Vereins zur Unterstützung eines Modernen Lebens" (CYDD), sagte Baykal. Die regierende AKP betrachte alle Beitrage zu Erziehung und Bildung, die von der Zivilgesellschaft und nicht von religiösen Orden kämen, als "kriminell".

Nach einem Bericht der regierungsnahen türkischen Zeitung "Today's Zaman" wird den im Zuge der Ergenekon-Ermittlungen verhafteten Akademikern unter anderem vorgeworfen, "schwarze Listen" für die Vergabe von Stipendien erstellt zu haben. So sollen beim kemalistischen CYDD Listen von Antragstellern gefunden worden sein, in denen die religiösen Ansichten von deren Familien dokumentiert wurden.

"Schwarze Listen"

Unter Berufung auf die Zeitung "Bugün" berichtet "Zaman" in diesem Zusammenhang von "Untergruppen" der Terrorgruppe Ergenekon. Diese hätten Personen, deren ältere weibliche Verwandte das islamische Kopftuch trugen, ein Stipendium verweigert. Die meisten dieser "schwarzen Listen" seien von der "Republikanischen Arbeitsgruppe" angefertigt worden, die von Ex-General Sener Eruygur gegründet wurde. Eruygur wird vorgeworfen, einer der Hauptanführer von Ergenekon zu sein.

Am Sonntag waren 20 Personen verhaftet worden, von denen sich acht wieder auf freiem Fuß befinden. Unter diesen ist auch das Vorstandsmitglied der Zeitung "Milliyet", Tijen Mergen, bekannt als Initiatorin der Kampagne "Vati, schick mich zur Schule", die Mädchen zur Teilnahme am Unterricht animieren soll. Bei den anderen Freigelassenen handelte es sich um CYDD-Mitglieder. Sie teilten mit, sie seien über ihre Unterstützung der Massendemonstrationen 2007 gegen die islamisch orientierte AKP-Regierung befragt worden.

Die Ermittler behaupten, Ergenekon-Führer hätten diese Kundgebungen angezettelt, um die Polarisierung der türkischen Gesellschaft zu verstärken und so die Bedingungen für einen Staatsstreich zu schaffen. Dem ebenfalls am Sonntag verhafteten Rektor der Baskent-Universität, Mehmet Haberal, wird vorgeworfen, 2002 ein gefälschtes medizinisches Attest für den früheren Premier Bülent Ecevit ausgestellt zu haben. Außerdem soll er Treffen in zwei Hotels in Ankara organisiert haben, wo die Ergenekon-Gruppe ihre Verschwörungspläne ausheckte. Haberal und die anderen festgenommen Rektoren sollen einen Putschplan mit dem Codenamen "Sarikiz" ("Blondes Mädchen") unterstützt habe.

(Ag.)

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