Go west: Links ist dort, wohin der Cowboy reitet

Hillary Clintons neues Logo enthält einen roten Pfeil, der von links nach rechts weist. Warum eigentlich nicht in die andere Richtung?

Ein H, dessen Querstrich zum roten Pfeil umgedeutet ist: Das Logo, mit dem Hillary Clinton in den Wahlkampf geht, wirkt scharf, aggressiv. „Aus ist es da mit Menschelei, Wärme, Kinderzimmern“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“: „Das Logo sieht aus, als sei es auf dem Exerzierplatz entworfen: Eins, zwei – und um!“

Und um? Nun ja. Die wesentlichste Eigenschaft des Pfeils ist doch, dass er in eine Richtung zeigt. Der Zeitpfeil – das Wort wurde 1927 vom britischen Physiker Arthur S.Eddington geprägt – etwa weist in Richtung Zukunft; dass er damit zugleich laut Thermodynamik in Richtung zunehmender Entropie, also Unordnung weist, hat das Weltbild der Physik um 1900 verdüstert.

Die Mathematikerin denkt bei Pfeilen an Vektoren, der Chemiker an Reaktionspfeile, die Stadtplanerin an Einbahnschilder, der Mod an den Schriftzug der Band The Who: Aus dem O ragt ein Pfeil, der nach oben zeigt, in den Himmel oder zumindest zur Decke. Alte Sozialdemokraten erinnern sich an das Symbol der drei parallelen Pfeile, die durch einen Ring gehen, sie sollten zuerst die drei Gegner (Kapitalismus, Faschismus, Klerikalismus) symbolisieren, später die industriellen, landwirtschaftlichen und geistigen Arbeiter. So oder so, diese drei Pfeile weisen von rechts oben nach links unten, das ist ganz ungewöhnlich: Der Fortschritt, dem sich jede, zumindest jede linke Partei verpflichtet fühlt, geht doch – wie die Zeit – von links nach rechts, denkt man unwillkürlich.

Aber warum denkt man so? Wieso ist es so klar, das im kartesischen Koordinatensystem die positiven Zahlen rechts und die negativen links sind? Hat es damit zu tun, dass wir von links nach rechts schreiben? Wenn ja, müssten dann nicht z.B. die arabischen Kulturen die Zeit von rechts nach links fließen lassen? (Wahrhaft islamophob wäre es wohl zu sagen, dass sie darum immanent rückschrittlich seien.) Und was ist mit den bustrophedonen Schriften, in denen die Zeilen abwechselnd von links nach rechts und umgekehrt gelesen werden? Geht, wo man so schreibt, gar nichts weiter?

Auch die Himmelsrichtungen sind für uns eindeutig auf der Zeichenebene fixiert: Auf unseren Landkarten ist der Norden oben und der Osten rechts. Das bringt mit sich, dass die geradezu zum US-Nationalmythos gewordene Richtung der Besiedelung Nordamerikas durch Europäer („Go west, young man!“; der Cowboy reitet in die untergehende Sonne) uns gefühlsmäßig verkehrt vorkommt: auf der Landkarte von rechts nach links. Also gegenläufig zu Hillary Clintons Pfeil.

Die Entwicklung des Wetters zeigt indessen sowohl in Europa als auch in Nordamerika derzeit in Richtung Sommer. So eindeutig, dass ich schon wieder die Üblichen beim Jammern ertappe: „Jetzt schon so heiß! Direkt vom Winter in den Sommer! Es gibt gar keinen richtigen Frühling mehr. Ja früher, da hat man noch eine Übergangsjacke gebraucht...“

Ich sage: Erstens stimmt das nicht. Zweitens: Wer will schon eine Übergangsjacke tragen? Wie soll die überhaupt aussehen? Zartgrün? Drittens verweise ich auf Bob Dylan, der sagt: „A change in the weather is known to be extreme.“ Wir suchen nicht nur nach eindeutigen Pfeilen, sondern auch nach Sprüngen. Dylan tourt derzeit übrigens in den USA, im Juni kommt er nach Europa (am 26. nach Wiesen). So reist er von West nach Ost. Im Großen und Ganzen. Diesmal.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2015)

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