Auschwitz-Überlebende seien zutiefst erschüttert von "tödlichem Hass", erklärt das Internationale Auschwitz-Komitee.
Absage an einen "Schlussstrich" und Sorge vor Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in Europa: Auch 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz sehen Überlebende und ihre Nachfahren am heutigen Gedenktag für die Opfer des Holocaust Grund zu Sorge. "Im hohen Alter erneut mit dem tödlichen Hass des Antisemitismus konfrontiert zu werden, erschüttert die Überlebenden zutiefst", sagte Christoph Heubner, Vize-Exekutivpräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, der Deutschen Presse-Agentur vor dem Hintergrund der Terroranschläge von Paris und Kopenhagen und anderer Angriffe auf jüdische Einrichtungen. "Jedes Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit wird durch die Anschläge zerstört."
Umso wichtiger sei weiterhin die Aufarbeitung der Vergangenheit. Mit Blick auf die laufenden Ermittlungen gegen ehemalige Auschwitz-Wächter und den in der kommenden Woche in Lüneburg beginnenden Prozess gegen einen der "Buchhalter von Auschwitz" sagte Heubner, die letzten NS-Prozesse seien eine "Geschichtsstunde für die junge Generation in Deutschland und in Europa." Zugleich seien die Prozesse Gelegenheit für einen "Einblick in die derzeitige Befindlichkeit der deutschen Gesellschaft", betonte er. "Wem gehört das Mitgefühl der Menschen in Deutschland? Der Ruf nach dem 'Schlussstrich', der schon seit den 50er-Jahren ertönt, ist würdelos und unrealistisch."
Dies gelte umso mehr angesichts der Tatsache, dass "die meisten SS-Leute, die in Auschwitz am Räderwerk des Massenmords beteiligt waren", nie vor Gericht gestellt worden seien, sagte Heubner. "Sie sind in der Mitte der deutschen Nachkriegsgesellschaft verschwunden und haben bis ins hohe Alter jede Verantwortung und Schuld von sich gewiesen. Das bleibt ein fortwährender Skandal, der die Überlebenden mit Empörung und Traurigkeit erfüllt."
Tausende bei "Marsch der Lebenden"
Mehr als 10.000 Menschen aus aller Welt nahmen am Donnerstagnachmittag in Auschwitz am "Marsch der Lebenden" teil. Dass besonders viele junge Menschen dabei sind, verleihe der Veranstaltung einen besonderen "Spirit" und sei ein "Zeichen des Sieges über die Verbrecher", sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, bei der Auftaktveranstaltung Mittwochabend in Krakau.
Erstmal wandte sich am Donnerstag auch Papst Franziskus als Oberhaupt der katholischen Kirche zum Holocaust-Gedenktag an die Teilnehmer des "Marschs der Lebenden". In einer während der Gedenkfeier am Donnerstag verlesenen Grußbotschaft ließ er ausrichten, er fühle sich der "Mission des Marsches nahe". Er bete um Segen für den "Kampf um Leben und Würde", schrieb Franziskus.
Bei dem seit 1988 stattfindenden Marsch gehen Überlebende des Nazi-Terrors zusammen mit Menschen aus aller Welt schweigend und in Erinnerung an die sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden vom ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz zum Vernichtungslager Birkenau.
(APA/dpa)