Distanz zu Häupl: SPÖ fürchtet um Stimmen

Burgenlands Landeschef Niessl und Wiens Landeshauptmann Häupl
Burgenlands Landeschef Niessl und Wiens Landeshauptmann HäuplAPA/HERBERT NEUBAUER
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Der Ärger über den Sager von Wiens Bürgermeister zur Lehrerarbeitszeit ist in der SPÖ allgegenwärtig. (Angedrohte) Austritte und Unverständnis, weil er ÖVP und Beamtengewerkschaft genützt hat, herrschen vor.

Wien/Linz. Die Feierlaune ließ sich Michael Häupl nicht verderben. Die Eröffnung des Steiermark-Dorfes, das bis zum Sonntag vor „seinem“ Wiener Rathaus mit Speis, Trank und Musik wirbt, ließ sich der Wiener Bürgermeister am Donnerstagvormittag nicht entgehen. Da mochten sich SPÖ-Parteikollegen und rote Gewerkschafter noch so sehr grün und blau ärgern über dessen flapsigen Ausspruch zur Lehrerarbeitszeit: „Würde ich nur 22 Stunden arbeiten, wäre ich am Dienstag zu Mittag fertig.“

Dem Lehrer Roman Eder an der Neuen Mittelschule in Perg im Mühlviertel reichte es: Nach 40 Jahren Parteimitgliedschaft trat der einstige Juso-Funktionär aus Bruno Kreiskys Zeiten nun aus der SPÖ aus. Aus Groll darüber, wie Eder der „Presse“ mitteilte, dass sich Häupl „seine schmutzigen Schuhe auf dem Rücken des ,Klassengegners‘ Lehrer abputzt“.

Erboste Anrufe von SPÖ-Lehrervertretern gab es seit Mittwoch in den Landesparteizentralen. Der Bundesvorsitzende der roten Pflichtschullehrergewerkschafter, Thomas Bulant, schilderte, es habe „natürlich einige Androhungen“ von Austritten gegeben, wenn sich der Wiener Bürgermeister nicht entschuldige. Der rote Vizevorsitzende der Beamtengewerkschaft, Peter Korecky, hatte schon zuvor via „Presse“ (Donnerstagsausgabe) den Delegierten des Wiener SPÖ-Parteitages am Samstag empfohlen zu überlegen, ob sie angesichts von Häupls „billigem Populismus“ mit diesem an der Spitze in die Wien-Wahl am 11. Oktober gehen sollen.

Voves betont Wertschätzung für Lehrer

In der Bundes-SPÖ und in den Ländern, die wie Häupl heuer eine Landtagswahl zu schlagen haben, also in der Steiermark, im Burgenland und in Oberösterreich, ist man bemüht, die Wogen zu glätten. Allerdings gingen die SPÖ-Chefs in der Steiermark, im Burgenland und in Oberösterreich auf Distanz zu Häupls Äußerung. „In der Emotion kann so etwas durchaus auch einem Politiker passieren“, ließ der steirische Landeshauptmann, Franz Voves (SPÖ), die „Presse“ wissen. Auch ihm selbst sei das schon passiert. Er habe dazu aber eine eigene Meinung, denn er wisse, der „Großteil der Lehrer“ leiste hervorragende Arbeit im Interesse der Schüler. Voves stellt daher fest: „Diese Arbeit gilt es wertzuschätzen.“

Oberösterreichs SPÖ-Chef, Reinhold Entholzer, ist ein direkt Betroffener: „Meine Frau ist auch Lehrerin, und ich weiß, dass sie sich täglich bestmöglich auf den Unterricht vorbereitet.“ Als Parteichef, der vor dem Wahlkampf für die Landtags- und Gemeinderatswahlen am 27. September steht, ging er wie Voves auf Distanz zum Häupl-Ausspruch. Das sei „sicher nicht die Position der SPÖ Oberösterreich“.

Burgenlands Landeshauptmann, Hans Niessl, der wie Voves am 31. Mai die SPÖ-Führungsrolle bei einer Landtagswahl verteidigen muss, war hörbar sauer. Es sei ein „nicht gelungener Scherz“ des Wiener Bürgermeisters gewesen. Von positiven Reaktionen war zwischen Linz, Graz und der Wiener Bundesparteizentrale nichts zu hören. Häupls Dreh, er habe nur das ständige Njet der ÖVP-dominierten Beamtengewerkschaft zu Schulreformen launig aufs Korn nehmen wollen, wurde von den Genossen nicht so verstanden. Ein mögliches Kalkül, dass die Breitseite gegen die Lehrer(Gewerkschafter) bei der breiten Masse der Bevölkerung volle Unterstützung auslösen würde, ging offenbar so nicht auf.

Die Distanzierungen der SPÖ-Landesorganisationen signalisierten das Gegenteil, auch wenn Schaden für die Wahlen nur hinter vorgehaltener Hand befürchtet wurde. Der rote Lehrergewerkschafter Bulant („am meisten hat er sich selbst geschadet“) hält diesen für die Wien-Wahl jedenfalls für möglich. Am größten ist sein Ärger aber aus zwei Gründen: Mit diesem Sager belebe man die einstige Politik eines Jörg Haider wieder, „der Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt hat“. Außerdem hält Bulant eine längere Lehrerarbeitszeit besonders angesichts der ohnehin hohen Arbeitslosenrate für völlig falsch. Denn dies koste allein bei den Pflichtschullehrern 7000 Arbeitsplätze.

Faymann selbst im Schussfeld

Nicht umsonst hat ÖGB-Präsident Erich Foglar „mehr Sensibilität“ gefordert. Er hat sich ausdrücklich dagegen verwahrt, dass die Regierung nach der Einigung über die Steuerreform nun mit den Plänen für Einsparungen bei den Beamten die Arbeitnehmer auseinanderdividieren wolle. Die Solidarität innerhalb der Gewerkschaft ist dem Präsidenten in diesem Fall wichtiger als parteipolitische Rücksichtnahmen in der SPÖ.

In dem Zusammenhang geriet Bundeskanzler SPÖ-Chef Werner Faymann nach der Freude der Genossen, dass bei der Steuerreform knapp fünf Milliarden für die Arbeitnehmer entfallen sollen, selbst ins Schussfeld. Ihm wird angekreidet, dass er sich bei der Ankündigung der Sparpläne bei Beamten nach dem Ministerrat so bereitwillig vor den Karren von Finanzminister Hans Jörg Schelling und der ÖVP hat spannen lassen.

Kanzleramtsminister Josef Ostermayer wird als SPÖ-Regierungskoordinator seither nicht müde, die Gemüter durch Präzisierungen zu beruhigen. So sei eine Nulllohnrunde für den öffentlichen Dienst eine „Fantasiediskussion“ („Die Presse“ berichtete online).

Die ÖVP lachte sich vor ihrer heutigen Feier zum 70. Geburtstag der Gründung im Wiener Schottenstift angesichts der SPÖ-Turbulenzen ins Fäustchen. Statt die Kluft zwischen Beamtengewerkschaft und ÖVP zu vergrößern, sorgte der Häupl-Sager für einen Schulterschluss. So nebenbei wurden damit die harten Bandagen zwischen Wirtschaft und Touristikern und Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner überlagert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

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