Kommt der Frühling für gemeinnützige Stiftungen?

Viele Wohlhabende wären bereit, ihre Verantwortung für die Gesellschaft wahrzunehmen. Wenn die Regierung sie ließe...

Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit hat die Bundesregierung bei ihrer März-Klausur eine Entscheidung getroffen, die in der österreichischen Zivilgesellschaft noch einiges in Bewegung setzen könnte: Beschlossen wurde da in Krems die längst überfällige Modernisierung des Stiftungsrechtes ab 1.Jänner kommenden Jahres, um Österreich endlich an die europäische Normalität in Bezug auf gemeinnützige Stiftungen und Philanthropie heranzuführen.

Österreich ist kein Land privater Wohltätigkeit. Was die Privatspenden betrifft, sind wir mit 65 Prozent Spendenbeteiligung und einer Durchschnittsspende von 91 Euro pro Spender und Jahr trotz unseres Wohlstandes nur im europäischen Mittelfeld. In den Niederlanden spenden 86Prozent durchschnittlich 240 Euro, in der Schweiz 75Prozent durchschnittlich 460 Euro im Jahr. Noch viel beschämender ist die Lage bei gemeinnützigen Stiftungen: Liegen deren Ausgaben in der Schweiz bei 109 Euro pro Jahr und Einwohner und in Deutschland gar bei 183 Euro, betragen sie in Österreich jämmerliche zwei bis drei Euro.

Akteure der Zivilgesellschaft

Stiftungen sind in weiten Teilen Europas wichtige Akteure und Unterstützer der Zivilgesellschaft. Sie sind die einzig wirklich unabhängigen Organisationen und Treiber für soziale Innovation. Als Stiftungsstandort hat die EU mittlerweile gar die Vereinigten Staaten überholt. Im EU-Raum (ohne Österreich) gibt es derzeit etwa 100.000 gemeinnützige Stiftungen, in den USA nur etwa 71.000.

Österreich ist anders. Stiftungen besitzen zwar enormes Vermögen (circa 100 Milliarden Euro vor allem in Unternehmensbeteiligungen und Immobilien), von den über 3500 Stiftungen sind aber nur 700 gemeinnützig. Der Großteil sind rein privatnützige Stiftungen.

Mit dem Privatstiftungsgesetz 1992 wurde diese Rechtsform attraktiv gemacht. Ziel war damals aber nicht, die Zivilgesellschaft zu fördern, sondern die Zerschlagung österreichischer Unternehmen durch Erbschaftsstreitigkeiten und den Ausverkauf der österreichischen Wirtschaft vor dem EU-Beitritt zu verhindern. Die damaligen Steuervorteile wurden sukzessive abgebaut, und mittlerweile haben Privatstiftungen keine Privilegien mehr – dafür aber einen schlechten Ruf.

Die philanthropische Rückständigkeit Österreichs hat eine Reihe von Gründen, die weit zurückreicht. Jahrzehntelang gab es hierzulande kaum private Großvermögen. Diese waren in der Monarchie die Basis für eine prosperierende Stiftungslandschaft.

Sie wurden im Ersten Weltkrieg in großem Stil vernichtet, danach durch die Weltwirtschaftskrise und durch den Raub der Nazis weiter dezimiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann verstaatlicht und nicht privatisiert. Der Wohlfahrtsstaat breitete sich nicht nur strukturell, sondern auch in den Köpfen der Bürger aus.

In Österreich wird traditionellerweise der Staat für Bildung und Forschung, Kunst und Kultur, soziale Wohlfahrt – ja sogar für (Miss)Erfolge im Sport verantwortlich gemacht.

Wenn dann einmal privatisiert wurde, flossen die Erlöse nicht etwa in Stiftungen wie in Deutschland in die Volkswagen-Stiftung, sondern wurden direkt im Budget verbrannt oder bestenfalls in Fonds geparkt. So wurde aus Österreich die Heimat der notleidenden Fonds, während sich anderswo die wohlhabenden und -tätigen Stiftungen ausbreiteten.

Österreichische Mäzene und Philanthropen sind zuletzt gar abgewandert und haben ihre gemeinnützigen Stiftungen in der Schweiz oder in Deutschland gegründet, weil es bei uns aus einem falsch verstandenen „Nur ja keine Privilegien für die Reichen“ keinerlei Anreize für private Wohltätigkeit größeren Stils gibt.

Rigide rechtliche Schranken

Das soll nun anders werden: In gemeinnützige Stiftungen soll steuerbegünstigt investiert werden können, vorerst 100.000 Euro pro Jahr bis zu zehn Prozent der Jahreseinkünfte und insgesamt max. 500.000 Euro. Um eine blühende gemeinnützige Stiftungslandschaft zu schaffen, in der tausend neue gemeinnützige Stiftungen eine Milliarde Euro im Jahr in Bildung und Forschung, Kunst und Kultur und soziale Projekte investieren, wie dies die Bundesregierung plant, wird es aber noch mehr brauchen:
Österreich hat ein im internationalen Vergleich extrem rigides Gemeinnützigkeitssteuerrecht. Nur wer unmittelbar und ausschließlich gemeinnützig tätig ist, hat Steuervorteile. Im Vergleich dazu haben Deutschland, die Schweiz und Schweden viel liberalere Regelungen und größere Rechtssicherheit für gemeinnützige Organisationen.
Die Stiftungsbehörden müssen sich zu kompetenten Beratern und Dienstleistern für potenzielle Stifter entwickeln. Das Vereins- und Stiftungswesen ressortiert aber aus historischen Gründen beim Polizeiministerium und den Bundesländern, was die Hoffnungen doch beträchtlich dämpft.

Wofür das Geld ausgeben?

Wofür dürfen gemeinnützige Stiftungen ihr Geld ausgeben? Knüpft man die Begünstigung an die Gemeinnützigkeit der Empfänger, ist das ein zu enges Korsett und erschwert das Engagement für soziale Innovationen und Start-ups. Warum regelt man gemeinnützige Ausgaben nicht wie die Betriebsausgaben von Unternehmen? Warum nicht auch hier stichprobenartige Kontrollen, Missbrauchsaufsicht und finanzstrafrechtliche Sanktionen?
Die strikten Betragsbeschränkungen für gemeinnütziges Stiften könnten zu Mikro-Stiftungen führen, die keine nennenswerten Erträge erwirtschaften. Wenn es nicht zu Stiftergemeinschaften kommt, werden also die Effekte gering bleiben.
Unklar bleibt auch noch, ob die Kapitalerträge gemeinnütziger Stiftungen KESt-befreit werden. Passiert das nicht, stehen nur mehr 72,5Prozent für das Gemeinwohl zur Verfügung. Ob die geplante Grunderwerbsteuer-Befreiung etwas bringt, ist hingegen fraglich.
Der Stiftungsboom in Deutschland war auch der Kombination von Steuerbefreiung bei gemeinnütziger Widmung von Privatvermögen und einer sozial gerechten und maßvollen Erbschafts- und Schenkungssteuer zu verdanken. Dass Letztere bei uns abgeschafft wurde, ist für keinen vernünftigen Menschen nachvollziehbar.

Keine Wunder zu erwarten

Wunder darf man sich also von diesem ersten Schritt keine erwarten. Dennoch gebührt der Regierung Anerkennung, folgt diese Maßnahme doch so gar nicht dem grassierenden „Eat the rich“-Populismus, wie er in anderen Entscheidungen der Steuerreform deutlich durchschimmert.

Viele Wohlhabende und Reiche dieses Landes sind schon jetzt gern bereit, ihre Verantwortung für die Gesellschaft wahrzunehmen. Die Pläne der Bundesregierung sind ein erstes Signal, dass dieses Engagement auch gewürdigt wird. Es wird ein paar Jahre dauern, bis eine Stiftungslandschaft für das Gemeinwohl erblüht. Aber ein Frühlingsbote ist da allemal auf den Weg geschickt worden.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Univ.-Prof. Michael Meyer
lehrt Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und ist Vizerektor für Personal. Seit 2005 leitet er das Institut für Non-Profit-Management der WU. Seine Forschungsfelder sind unter anderem Zivilgesellschaft, Social Entrepreneurship und Philanthropie und generell das Management gemeinnütziger Organisationen. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

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