Von Lehrern und von Weibchen

Ein paar grundsätzliche Gedanken eines Sprachwissenschaftlers zur leidigen Diskussion über das Gendern.

Obwohl das Gendern in Form von Binnen-I (z.B. SchülerIn), Schrägstrich (z.B. Lehrer/in), Gender Gap (z.B. Kärntnerin) usw. in der amtlichen deutschen Rechtschreibung bis dato keine Berücksichtigung findet, wird im österreichischen Bildungswesen, auch an den Universitäten, nachdrücklich darauf bestanden.

Allerlei Leitfäden und dergleichen fordern geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie Lehrende, Studierende usw. Damit sind zwar beide Geschlechter gemeint, wie dies auch auf Plurale wie die Lehrer und die Studenten zutrifft, wenn man auch einschränkend behaupten kann, dass Frauen nur mit gemeint sind, schließlich weiß man, dass Lehrer und Studenten in der Regel nicht nur Männer, sondern auch Frauen sind, was genauso auf die neutralen Bezeichnungen Lehrende, Studierende zutrifft.

„Mit gemeint“ ist daher der manipulative Kunstgriff der „feministischen Linguistik“ schlechthin, denn Frauen sind inkludiert, wie auch das generische Maskulinum der Mensch beide Geschlechter einschließt – ebenso das generische Femininum die Geisel bzw. Person und das generische Neutrum das Kind. Bei keinem dieser Wörter kann man von einem Nur-mitgemeint-Sein sprechen.

„Geschlechtsneutralität“

Zum vielfach eingeforderten und verordneten geschlechtsneutralen Formulieren ist festzustellen, dass geschlechtsneutrale Bezeichnungen in der deutschen Grammatik gar nicht vorgesehen sind und jedes Substantiv einem der drei Geschlechter zuzuordnen ist, das im Singular ohne den vom jeweiligen Genus (= grammatikalisches Geschlecht) abhängigen Artikel gar nicht verwendet werden kann.

Im Singular ist daher nur der/die/eine Lehrende/Studierende bzw. ein Lehrender/Studierender möglich, nur im Plural auch Lehrende bzw. Studierende (ohne Artikel). Daran ändern auch die favorisierten Schreibungen wie SchülerIn und Lehrer/in usw. nichts, denn aus sprachwissenschaftlicher Sicht sind Wörter wie Lehrer und Student zunächst allgemeine Berufs- bzw. Funktionsbezeichnungen, die eine Einzelperson betreffen.

Genus und Sexus

Erst in zweiter Linie bezeichnen sie männliche Einzelpersonen, zu denen dann eine weibliche Form Lehrerin/Studentin gebildet wird. In der ersten, allgemeinen Bedeutung bezeichnen Plurale wie Lehrer und Studenten beide Geschlechter und somit alle Vertreter einer solchen Funktion. Der Begriff des Genus (=grammatikalisches Geschlecht) ist vom Sexus (=biologisches Geschlecht) deutlich zu unterscheiden, denn das Genus klassifiziert Substantive in grammatikalischer Hinsicht (z.B. der Mensch, die Sonne, das Kind), der Sexus dagegen Lebewesen (der Vater, die Mutter bzw. der Stier, die Kuh).

Ein gewisser Zusammenhang zwischen diesen beiden Klassifikationen besteht nur bei Lebewesen, wobei dies keineswegs allgemein ist wie der Vogel, die Meise, das Rind zeigen, aber überhaupt nicht bei Pflanzen und pflanzlichen bzw. tierischen Produkten, wie der Kümmel, die Petersilie, das Kraut zeigen.

Vielfach bestimmt die Wortbildung das grammatische Geschlecht. So sind alle Substantiva auf -ling Maskulina (z.B. Lehrling), auf -schaft (z.B. Freundschaft) Feminina und -chen (z.B. Bäumchen) Neutra; das grammatische Geschlecht „schlägt“ hier das natürliche. So bezeichnet Lehrling auch weibliche Auszubildende sowie Kundschaft oder Hilfskraft auch männliche Wesen und ein Männchen bzw. Weibchen ist zwar der Überbegriff für männliche bzw. weibliche Tiere, aber dennoch grammatikalisch Neutrum.

Univ.-Prof. Dr. Heinz-Dieter Pohl lehrte Allgemeine und Diachrone Sprachwissenschaft an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt von 1979 bis 2007.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

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