Freihandel: EU-Parlament pro TTIP

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Am Samstag findet ein weltweiter TTIP-Protesttag statt. Unter EU-Abgeordneten aber ist die Stimmung mehrheitlich positiv.

Wien/Brüssel. 36 Staaten sollen sich an 500 Aktionen beteiligen; alleine in Österreich sind Demonstrationen in zwölf Städten geplant – darunter in Wien, Salzburg, Linz und Graz: Der heutige Aktionstag globalisierungskritischer Organisationen gegen Freihandelsabkommen wie TTIP soll weltweite Aufmerksamkeit erregen.

In der EU-Kommission, die das EU-US-Abkommen derzeit mit Washington verhandelt, nimmt man den zunehmenden Protest bisher gelassen. Mit gutem Grund: Denn obwohl die TTIP-Gegner in der Öffentlichkeit viel präsenter sind als die Befürworter, dürfte ein Großteil der EU-Abgeordneten dem Abkommen am Ende zustimmen. Das macht eine Auflistung der NGO Vote Watch deutlich, die deren Abstimmungsverhalten analysierte.

Schon vor zwei Jahren gab es demnach im EU-Parlament eine komfortable Mehrheit für den Handelsvertrag: 78 Prozent stimmten damals dafür, dass die Verhandlungen aufgenommen werden – darunter die Mehrzahl der Abgeordneten von Europäischer Volkspartei (EVP), Sozialdemokraten (S&D) und Liberalen. Lediglich die radikale Linke und die grüne Fraktion stellten sich von Beginn an gegen die Gespräche; in der EVP war die ungarische Delegation der einzige Ausreißer.

Nun liegt ein neuer Resolutionstext zu den laufenden Verhandlungen vor. Die Abstimmung darüber musste zwar auf Juni verschoben werden, weil es beinahe 900 Änderungsanträge gab. Die erklärten TTIP-Gegner aber bleiben deutlich in der Minderheit.

Votum pro Investorenschutz

Dennoch stehen wichtige Bausteine des geplanten Abkommens auch in der Bürgervertretung unter heftiger Kritik, allen voran die Investorenschutzklauseln (ISDS). Diese legen bekanntermaßen fest, dass Unternehmen Staaten vor privaten Gerichten auf Schadenersatz in Milliardenhöhe verklagen können. Als die Parlamentarier vor zwei Jahren darüber abstimmten, den Investorenschutz als Teil der TTIP-Verhandlungen zu streichen, gab es ein klares Votum dagegen – und dieses wurde großteils von Liberalen und EVP getragen. Die S&D-Fraktion stimmte schon damals mehrheitlich gegen die Klauseln und hat bis heute keine einheitliche Position zu dieser Frage. Während die britische Labour Party sich klar für den Investorenschutz ausspricht und die deutsche SPD sich verhandlungsbereit zeigt, ist die SPÖ äußerst skeptisch. Als zweitgrößte, aber noch unentschlossene Parlamentsfraktion könnte die S&D also das Zünglein an der Waage werden. Hinzu kommt, dass die Zahl der ISDS-Befürworter seit der letzten Europawahl im Mai 2014 weiter geschrumpft ist: Allein die EVP verlor 50 Sitze.

Die EU-Kommission weiß um dieses Problem – und hat ihrerseits versprochen, ISDS zu reformieren und transparenter zu machen. Dass eine grundsätzlich positive Stimmung im EU-Parlament schnell ins Gegenteil kippen kann, ist ja spätestens seit dem gescheiterten Anti-Piraterie-Abkommen ACTA bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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