Spielend an die Spitze?

Österreichische Spielefirmen, Teil zwei: Das Online-Wettbüro „bwin“ bietet Poker und Wetten auf alles Mögliche – von Fußball bis zu Wahlergebnissen. Seit zehn Jahren ist das Unternehmen im Geschäft. Und nach Europa will es jetzt die Welt erobern.

Unternehmen aus Österreich, die in ihrem Bereich die Weltmarktführerschaft beanspruchen, gibt es bekanntlich eher selten. Der Online-Wettkonzern „bwin“, ehemals „Bet and Win“, ist da eine Ausnahme. 2010 will bwin weltweit erreicht haben, was der Konzern in Europa schon geschafft hat: Marktführer im Bereich Online-Wetten zu sein.

Die Geschichte von bwin ist eine relativ junge. Rund zehn Jahre ist es her, dass die beiden Vorstände Manfred Bodner und Norbert Teufelberger das Unternehmen aus der Taufe gehoben haben. Am Anfang hatte bwin gerade 13 Mitarbeiter, nur wenig später residierten schon 90 Beschäftigte in der Wiener Babenbergerstraße. Heute findet man den Konzern im noblen Gebäude der alten Wiener Börse, mit Blick über ganz Wien. Bwin hat Lizenzen in Gibraltar, Deutschland, Italien, Mexiko und Argentinien und beschäftigt über 1400 Mitarbeiter weltweit, rund 800 davon in Österreich. Eine Belegschaft, die mit 32 Jahren Durchschnittsalter als relativ jung bezeichnet werden kann. Jung, diesen Eindruck vermittelt auch die Firmenzentrale: Spaziert man durch die vom Architekten Arkan Zeytinoglu gestalteten Räumlichkeiten, so geht man durch bunte Gänge, Glas bestimmt das Design wesentlich mit. Auch die Omnipräsenz der Sportlerberühmtheiten sticht ins Auge. „Maradonna“ heißt eines der Besprechungszimmer, ein anderes ist nach Fußballlegende „Pelé“ benannt. Sogar die Farben, die die Räume tragen, stehen jeweils für einebestimmte Sportart. Alle sind hier per Du, ganz nach der Firmenphilosophie.

Wer allerdings im Wiener Hauptquartier nach Menschen Ausschau hält, die hektisch Wetten annehmen und Quoten erstellen, tut das vergeblich. Das passiert in der bwin-Zentrale in Gibraltar. Wenn Wien der Ort ist, an dem die Marke „bwin“ gehegt, gepflegt und entwickelt wird, so ist Gibraltar der Platz, an dem im wahrsten Sinne des Wortes das Spielgemacht wird. Dort sitzen die sogenannten „Bookies“, 90 an der Zahl, die tagaus, tagein,Minute für Minute, manchmal in Sekundenschnelle die Spielquoten erstellen und verändern. Und dabei die eigentlichen Fäden in derHand halten: Denn die „Bookmaker“ (englisch für „Buchmacher“) entscheiden mit ihren Quoten über den Gewinn des Konzerns.

Ein „ausgeglichenes Buch“ zu erstellen und zu erhalten ist für den Buchmacher die oberste Prämisse bei der Quotenerstellung. Das bedeutet, dass nie zu viel Geld auf einer Seite zu liegen kommen darf. Und da kann es schon einmal passieren, dass der „Bookie“ bis zu vier Stunden hoch konzentriert vor dem Bildschirm zubringt und akribisch genau den Spielverlauf analysiert, um bei Bedarf die Quote anzupassen. Davor gilt es, das „Main Book“ zu erstellen. Das klassische „Main Book“ ist das Spiel von morgen und enthält bis zu 200 Wetten pro Spiel. Für das Hauptbuch kann sich der Buchmacher ausreichend Zeit nehmen, um zu recherchieren, wie etwa die Historie zweier Teams.

Der zweite Teil der Quotenerstellung betrifft die Statistik und somit Daten wie: Wer spielt gegen wen? Wie oft sind die Teams bereits gegeneinander angetreten, und wie sind diese Spiele verlaufen? Alle möglichen Faktoren, wie etwa auch der Austragungsort des Spiels, sind für die Wettquote von Bedeutung. Und schließlich kommt auch die Psychologie ins Spiel: Denn das erwartete und das tatsächliche Verhalten der Kunden fließen ebenfalls in die Quote mit ein.

Bei den Livewetten geht es für die Buchmacher dann richtig zur Sache: „Die Bookies arbeiten in Zweierteams und sind während eines Spiels im Nonstop-Einsatz“, sagt Unternehmenssprecher Kevin O'Neal. Da die Quote wesentlich vom Spielverlauf abhängig ist, darf der „Bookie“ das Spiel keine Sekunde lang aus den Augen lassen. „Da kann ein Tennismatch mit manchmal mehr als vier Stunden ohne Unterbrechung eine ziemliche Herausforderung sein.“

Wichtig ist beim Quotenerstellen auch das sportliche Fachwissen des Bookies, auf das bereits bei der Bewerbung besonders geachtet wird. Eine spezielle Ausbildung ist zwar nicht erforderlich, auch ein Hochschulstudium ist nicht Pflicht. Der eine ist Astrophysiker von Beruf, der andere war einst Lehrer. Dennoch kann nicht jeder Buchmacher werden. „Fachwissen und Begeisterung für den Sport“ nennt Kevin O'Neal als Grundvoraussetzungen für den Job. Und, wahrscheinlich am wichtigsten: „Er muss unter Druck mit Zahlen umgehen können.“

Neuzugänge bei den Buchmachern trainieren zunächst drei Monate lang „im Trockenen“, anschließend begleiten sie einige Wochen lang einen Buchmacher, der schon länger im Geschäft ist. Erst dann werden sie alleine auf die echten Quoten losgelassen. Kein Wunder, dass darauf so viel Wert gelegt wird, denn die Bookies halten den Gewinn für den Konzern in Händen. Durchschnittlich fallen sieben bis neun Prozent des gesetzten Geldes dem Unternehmen zu. Im vergangenen Jahr schrieb bwin einen Verlust von 12,8 Mio. Euro. 2007 waren es noch rund 50 Mio. Euro Gewinn, in dieser Größenordnung liegt auch das Ergebnis, das man für das laufende Jahr anstrebt.

Bei bwin setzt man ohnehin eher auf die kleineren Wettfische. 10,4Euro setzt der durchschnittliche Kunde pro Wette ein. An Spitzentagen, wie etwa während der Championsleague, werden bis zu einer Million Wetten pro Tag abgegeben.

Gerüstet mit 2000 Servern

Zurück nach Wien. Im Produktmanagement am zweiten Standort im Wiener City Point, wo etwa 500 der österreichischen bwin-Beschäftigten arbeiten, wird am Internetauftritt von bwin gewerkelt. Dafür zuständig ist unter anderem Stefan Wukovitsch, und das bereits seit vier Jahren. Nicht ohne Stolz klickt er sich durch die Homepage. „Sport“ ist sein Terrain. „Fast eineinhalb Jahre haben wir dafür gebraucht, die Seite auf den heutigen Stand zu bringen.“ Dafür können Wettkunden jetzt online die Spiele ansehen, auf die sie gerade setzen. Fast wie im Fernsehen.

Auf Aktienkurse kann bei bwin zwar bislang noch nicht gesetzt werden, neben den klassischen Sportwetten trifft der Wettliebhaber aber immer wieder auf Angebote, die über die klassische Fußballwette hinausgehen: So konnte auf den Ausgang der Wahlen in Österreich oder in den USA gewettet werden, aber auch darauf, wer „Dancing Stars“ oder „Big Brother“ gewinnen wird.

Um für den Kundenansturm gerüstet zu sein, der in den Monaten Oktober, November, April und Mai regelmäßig seinen Höhepunkt findet, sorgen 2000 Server, die im Wiener St.Marx ihren Platz gefunden haben, dafür, dass auf die bwin-Homepage immer und von überall aus zugegriffen werden kann. Alles andere wäre verheerend für einen Konzern, der ausschließlich digital operiert. Denn bei bwin gibt es keine Wettbüros, keine reale Geldannahme. Gezahlt wird per Kreditkarte oder Überweisung. Und Kevin O'Neal sagt: „Die Konkurrenz ist nur einen Klick entfernt.“ ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2009)

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