Die wilden Kräuter sind da

Gertrude Henzl verarbeitet in ihrem kleinen Geschäft beim Naschmarkt Taubnesseln zu Sirup oder Brennnesseln zu Chips.
Gertrude Henzl verarbeitet in ihrem kleinen Geschäft beim Naschmarkt Taubnesseln zu Sirup oder Brennnesseln zu Chips.Die Presse
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Jetzt sind viele Wildkräuter am besten, weiß Gertrude Henzl und verarbeitet Taubnesseln, Ahornblüten oder wilden Hopfen zu feinen Produkten.

Jetzt muss man irrsinnig gschwind sein“, sagt Gertrude Henzl. „Jetzt sprießt alles und treibt aus, oft sind das nur ein paar Tage.“ Wie zum Beispiel bei den Ahorn-Blüten, die Henzl dieser Tage gesammelt hat. Die verarbeitet sie gemeinsam mit wildem Lauch zu einem Pesto oder mit Giersch zu Salat oder was sie sonst noch in der Stadt findet. Gertrude Henzl hat sich auf Wildkräuter spezialisiert, die sie vormittags sammelt – „heute zum Beispiel Taubnesseln und wilden Hopfen in der Lobau“ – und nachmittags zu Produkten verarbeitet, die sie in ihrem Geschäft in der Wiener Kettenbrückengasse verkauft.

Die Produktpalette hat sie in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet: von süßen und gesalzenen Blüten über eingelegte Kräuter und Pestos bis zu Sirup, Würzsaucen, Kräutersalzen, Aromazucker, Fruchtmatten, Gemüsepulver sowie Chutneys und Marmeladen. „Ich war schon immer eine Sammlerin und eine leidenschaftliche Köchin“, sagt die gelernte Juristin, die vor 30 Jahren mit dem Kräutersammeln begonnen hat. „Weil ich auf der Suche nach tollen Zutaten war.“ Ihr Wissen hat sie also nicht der Großmutter oder sonstigen Familienmitgliedern zu verdanken, sondern vielmehr ihrer Kochleidenschaft. „Wildkräuter haben sehr tolle Geschmacksnuancen“, sagt Henzl und betont gleich, dass es ihr in erster Linie um den Geschmack gehe. Die Heilwirkung diverser Pflanzen interessiere sie kaum. „Da kann etwas noch so essbar oder gesund sein, wenn es mir nicht schmeckt, ist mir das wurscht.“

Vor knapp fünf Jahren hat sie sich damit selbstständig gemacht. Das Geschäft laufe gut, auch weil sich immer mehr Gastronomen mit dem Thema beschäftigen – und die Industrie. „Jetzt gibt es gerade einen Schub wegen der ganzen Smoothies, ich sehe das eher skeptisch. Das ist schon wie eine Religion. Die Leute reden beim Essen nur mehr über die Nährstoffe und nicht mehr über die Zutaten.“ Wenn sie über das Sammeln spricht, wird schnell klar, dass es ihr bei den für einen Smoothie durch den Mixer gejagten Kräutern schade um die ganze Arbeit ist. „Die haben ja keine Vorstellung wie anstrengend das ist, ich sammle jedes Blatt einzeln, und dann soll es faschiert werden, ich finde das respektlos. Was ist das für eine Kochkultur, wenn man Babybrei isst und sich dadurch powerful vorkommt“, sagt Henzl und kümmert sich um den Taubnessel-Sirup.

Sie hat die frischen Blätter und Blüten der Taubnessel, gemeinsam mit Zitronenscheiben, in ein großes Ansatzglas gefüllt. Jetzt werden sie mit einem Glas frischem Zitronensaft und anschließend mit einer kochenden Zuckerwassermischung aufgegossen. „Das lasse ich zwei Tage lang wie einen Tee ziehen. Ich hoffe, dass die Taubnessel eine schöne Farbe abgibt und es rosa wird.“ Anschließend kommt erneut Zitronensaft dazu, der Sirup wird durch ein Tuch gepresst, wieder aufgekocht und abgefüllt.

Während der Sirup also zieht, kümmert sich Henzl um die frischen Triebe vom wilden Hopfen. „Ich nenne das Hopfenspargel, den mag ich sehr, sehr gern.“ Die jungen Triebe werden kurz blanchiert, in Gläser gefüllt und mit einer heißen Mischung aus Apfelessig, Orangen und Gewürzen übergossen. Der wilde Hopfen stammt ebenfalls aus der Lobau, die jungen Triebe sind von Mitte April bis Mitte Mai am besten.

Sammeln in der Stadt

Henzl kennt ihre Plätze und weiß mittlerweile wo was wächst – und wo auch keine Hunde hinkommen. „In der Stadt zu sammeln ist besser als am Land, weil am Land stark gedüngt wird, bis auf die Almen hinauf. Neben Feldern wird ja auch oft gespritzt. In der Stadt fällt das weg.“ Bäume besammelt sie gerne in Parks. Wichtig sei nur, dass man wirklich nur das sammle, was man auch kennt – und was man braucht. Nicht zu viel wegnehmen und, auch wenn man sie essen kann, keine Wurzeln nehmen, lautet ihr Credo. „Weil ich in der Natur nicht umrühren will.“

Wobei, ein bisschen tut sie das natürlich auch. Immerhin pflegt man Pflanzen ja auch, wenn man junge Triebe entfernt. „Dann wachsen sie umso besser. Man kann an gewissen Stellen fast einen kleinen Garten kultivieren.“

Apropos Garten: Bei ihren Kräuterwanderungen erlebt sie immer wieder, dass Teilnehmerinnen ganz erstaunt sind, was man alles essen kann. Vogelmiere, Giersch, Gänseblümchen, Löwenzahn, Schafgarbe oder Hirtentäschel wachsen sehr oft in Gärten und lassen sich zu Pesto, Salaten oder eingelegten Knospen verarbeiten. Oder auch Brennnesseln. „Die meisten wissen nicht, dass man Brennnesseln auch roh essen kann, man muss nur die Brennhaare zerstören.“ Dafür müssen die Blätter – die am besten mit Handschuhen oder von unten geerntet werden – lediglich gewalkt oder gedrückt, etwa zwischen zwei Tüchern, zerkleinert oder in Öl eingelegt werden, erklärt Henzl und verrät ihr Rezept für Brennnessel-Chips: Die Blätter waschen, trockentupfen und mit Zitrone, „bisschen“ Salz und „wenig“ Sonnenblumenöl in einer Schüssel vermischen. „So, dass jedes Blatt mit dem Öl überzogen ist.“ Anschließend in einem Dörrapparat bei 40 Grad trocknen. Die Chips sind angeblich gesund, aber Henzl schmecken sie vor allem.

Auf einen Blick

Henzls Ernte
Gertrude Henzl, Kettenbrückengasse 3/2, 1050 Wien, Di bis Fr 13 bis 18 Uhr, Sa 9 bis 17 Uhr, www.henzls.at

Kräuterwanderungen mit Kochkurs
Freie Termine: 1., 14. und 24. Mai; 4., 7. und 28. Juni. Infos und Anmeldung unter gertrude@henzls.at, ✆ 0676/755 25 26

Buchtipps
Friedrich Graupe, Sepp Koller: „Delikatessen aus Unkraut“, Orac Verlag, 168 Seiten, 22,90 Euro
Michael Machatschek: „Nahrhafte Landschaft 3“, Böhlau Verlag, 352 Seiten, 29,90 Euro
Maurice Maggi: „Essbare Stadt“, AT Verlag, 320 S., 41,10 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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