1970er-Jahre: Kärntner Slowenen beklagen Rufschädigung

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Ein Historikerbericht beschäftigt sich mit den Aktivitäten des jugoslawischen Geheimdienstes in Kärnten. Führende Vertreter der Volksgruppe sehen sich zu Unrecht ins Extremismus- und Terrorismus-Eck gestellt.

Wien. Der Bericht der Historikerkommission zu den Sprengstoffanschlägen in Kärnten in den 1970er-Jahren sorgt für heftige Reaktionen. Während die FPÖ wegen der Verwicklung des jugoslawischen Geheimdienstes Entschädigungszahlungen von Serbien und Slowenien als Rechtsnachfolger Jugoslawiens verlangt, kritisieren Kärntner Slowenen den 900-seitigen Bericht der Historiker.

Valentin Sima, Leiter des Slowenischen Wissenschaftlichen Instituts und Professor an der Universität Klagenfurt, spricht gegenüber der „Presse“ von „Verdachtsgeschichtsschreibung“. Aufgrund äußerst mangelhafter Quellenkritik seien Berichte des jugoslawischen Geheimdienstes ungeprüft übernommen worden. Dasselbe gelte für österreichische Stapo-Akten. Dass Kärnten „am Rande des Bürgerkriegs“ gestanden sei, hält Sima für aufgebauscht. Und die politische Entwicklung in Jugoslawien in den 1970er-Jahren sei völlig ausgeblendet.

Opfer, nicht Täter

Rudolf Vouk, einstiger Ortstafel-Aktivist und Sprecher des Vereins Kärntner slowenischer Juristen, spricht von Rufschädigung. Zahlreiche Vereinsmitglieder seien ungeprüft und unbewiesen in Extremismusnähe gerückt und mit Terrorismusverdacht in Verbindung gebracht worden. Und der Spitzendiplomat Valentin Inzko, Obmann des Rats der Kärntner Slowenen, spricht von Rufmord, weil er mit dem jugoslawischen Geheimdienst UDBA in Verbindung gebracht worden sei. Er sei maximal Spitzelopfer der UDBA und habe wissentlich und bewusst nichts mit dem Geheimdienst zu tun gehabt.

Der Historiker Alfred Elste, der gemeinsam mit Landesarchivdirektor Wilhelm Wadl den Bericht verfasst hat, weist gegenüber der „Presse“ die Vorwürfe zurück. Man habe sehr wohl berücksichtigt, mit welchen Vorbehalten Berichte und Akten von Geheimdiensten zu lesen sind. Im Falle von Valentin Inzko sei der Vorwurf, er habe für den Geheimdienst gearbeitet, gar nicht erhoben worden. Man habe den Auftrag erfüllt, aufgrund von Fakten die damaligen Ereignisse darzustellen.

Strafrechtlich verjährt

Schwerpunkt in dem Bericht sind die Aktivitäten des jugoslawischen Geheimdienstes, angefangen bei der Infiltration der österreichischen Sicherheitsbehörden über Sprengstoffanschläge bis hin zu Mordanschlägen auf Exiljugoslawen.

Bei den Anschlägen sollen auch Kärntner Slowenen mitgewirkt haben, die in dem Bericht – soweit bekannt – namentlich genannt werden. Strafrechtlich sind bis auf die Morde alle Delikte verjährt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2015)

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