Das kriminelle Geschäft der Schlepperbanden mache bereits zehn Prozent von Libyens Bruttoinlandprodukt aus. Außenminister Kurz fordert mehr Entwicklungshilfe.
Die Menschenhändler, die Massen von Flüchtlingen aus Nordafrika nach Europa schleppen, finanzieren den islamischen Terrorismus. Davor warnte Italiens Außenminister Paolo Gentiloni in einem Interview mit der römischen Tageszeitung "Il Messaggero" (Dienstagsausgabe). "Das kriminelle Geschäft der Schlepperbanden macht bereits zehn Prozent von Libyens Bruttoinlandprodukt aus", so Gentiloni.
Der Außenminister hob hervor, dass die jüngste Flüchtlingstragödie in libyschen Gewässern mit hunderten Todesopfern am Sonntag keinesfalls einer unzureichenden Rettungsaktion zuzuschreiben sei, sondern den Schlepperbanden, die derart viele Flüchtlinge in das Boot gedrängt hätten , dass es umgekippt sei. Italien sei fest entschlossen, gezielte Initiativen zur Bekämpfung des Menschenhandels zu ergreifen, meinte der Minister.
Kurz fordert mehr Entwicklungshilfe
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat angesichts der jüngsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer mit Hunderten Toten eine Aufstockung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) gefordert. Konkret will er beim Ministerrat am Dienstag den Vorschlag einbringen, den Auslandskatastrophenfonds von bisher fünf auf künftig 20 Millionen Euro aufzustocken, sagte Kurz gegenüber der APA.
Zusätzlich zu einem Ausbau des EU-Seerettungsprogramms - Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte nach dem Treffen der EU-Innen- und Außenminister am Montag von einer Verdoppelung der Mittel gesprochen - und einem stärkeren Vorgehen gegen Schlepper, sei "mehr Engagement in den Herkunftsländern" notwendig, "um einerseits den Menschen zu helfen und andererseits auch den Migrationsdruck zu lindern", so Kurz. Ob und um wieviel der Beitrag des Außenministeriums zur österreichischen (EZA) erhöht werden soll, konnte der Außenminister nicht sagen.
Kapitän festgenommen
Nach der Flüchtlingstragödie vor der Küste Libyens hat die italienische Polizei unterdessen den tunesischen Kapitän und ein syrisches Besatzungsmitglied des vor der libyschen Küste gekenterten Flüchtlingsschiffes festgenommen. Sie waren unter den 27 der 28 Überlebenden der Katastrophe, die am späten Montagabend im Hafen der sizilianischen Stadt Catania eintrafen. Die Staatsanwaltschaft von Palermo wirft ihnen mehrfache fahrlässige Tötung, Menschenhandel und Schiffbruch vor.
Die Ermittler berichteten, dass der Chef der festgenommenen Schlepperbande bis zu 80.000 Dollar (73.978 Euro) pro Schiff für die Überfahrt kassiert. Jeder Flüchtling zahlt circa 1500 Dollar, um nach Italien zu gelangen. Flüchtlinge, die aus Äthiopien Europa erreichen wollen, müssen bis zu 5000 Dollar zahlen. Schlepperbanden organisieren für 400 Euro die Flucht aus Flüchtlingseinrichtungen auf Sizilien. Um nordeuropäische Länder zu erreichen, müssten Migranten weitere 1.500 Euro zahlen.
Mikl-Leitner sieht Österreichs Vorstoß bestätigt
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sieht den österreichischen Vorstoß für ein Pilotprojekt zur Flüchtlingsrettung ("Save Lives") in der aktuellen EU-Diskussion bestätigt. EU-Innenkommissars Dimitris Avramopoulos habe ein klares Bekenntnis zu einem entsprechenden EU-Pilotprojekt gegeben, sagte Mikl-Leitner am Montag in Luxemburg.
Mikl-Leitner sagte nach Beratungen der EU-Innen- und Außenminister im Gefolge der jüngsten Flüchtlingstragödien im Mittelmeer, der EU-Kommissar werde das Projekt in den nächsten Tagen vorstellen. Sie könne nicht sagen, inwieweit sich in dem Projekt auch die von Österreich angeregte Idee eines Verteilungsschlüssels wiederfinde.
Die EU-Kommission will im Rahmen ihren Migrationsstrategie ein EU-weites freiwilliges Pilotprojekt zur Umverteilung ("Resettlement") von 5000 Flüchtlingen starten. Dies sei "auf alle Fälle ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, das Pilotprojekt kommt", sagte Mikl-Leitner. Es sollte zugleich Ausgangspunkt für eine Langfriststrategie der EU sein.
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