„Wer heute noch Lehrer wird, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.“

Der eine behäuptelt, dass die Lehrer nichts arbeiten würden, der anderen brandelt die Kurzsichtigkeit mancher Pädagogen unter den Nägeln. Der dritte findet das schellingst gerechtfertigt und der Mann am Stammtisch freut sich, dass endlich mal Klartext gesprochen wird über diesen Sauhaufen von arbeitsscheuen Lamentierern – den Lehrern.

Zugegeben: Lehrer sein in diesem Land ist in diesen Tagen nicht gerade prickelnd. Schließlich wird unsere Arbeit ja sowohl von führenden Politikern wie vom Mann auf der Straße durchwegs nicht wertgeschätzt: Man sei „faul“, weil man ja „nur halb so lang wie jeder andere arbeite“, sei „ausgestattet mit Privilegien, von denen [besagte] andere nur träumen können“, würde „sich unentwegt als Opfer inszenieren“, sei ein „wehleidiger“ „Frühpensionierer“ und „Langzeiturlauber“ und überhaupt „realitätsfremd“ usw. (Soweit ein paar Kommentare aus diversen Presse-Foren – jene der Boulevardpresse lassen wir mal unbeachtet.)

Doch manche scheinen die Lösung auf unser Bildungsproblem tatsächlich gefunden zu haben: „Man muss die Lehrer wieder von den Schipisten, Golfplätzen und Tauchparadiesen in die Klassenzimmer holen! Damit Realität einkehrt in präpotente Lehrer(vertreter)gehirne!“

Während die einen munter weiter bashen, schütteln andere verständnislos den Kopf und fragen sich, wer denn heute noch Lehrer werden will, denn „Lehrer zu werden oder noch zu sein, ist purer Masochismus.“ Oder plumper ausgedrückt: „Wer heute noch Lehrer wird, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.“

Natürlich drängt sich da irgendwann die Frage auf, ob denn unser Beruf nun tatsächlich zu etwas verkommen ist, um das man am besten einen weiten Bogen macht. Also: Ist er das? Mitnichten.

Warum tu ich mir das alles an?

Weil „Lehrer zu sein ein heiliges Privileg und eine großartige Verantwortung ist, die der ursprünglichen Berufung eines Menschen wohl am nächsten kommt“, wie Thomas Moore es in seinem Buch „Educating for Life“ beschreibt. „Ein Pädagoge zu sein“, so schreibt er weiter, „bedeutet, sich auf heiligem Boden zu befinden – auf dem Boden des Lebens von jungen Menschen.“

Mein Beruf hat also nichts mit Schmerzen zu tun. Mein Beruf ist auch keine Realitätsflucht. Und mein Beruf lässt sich weder von einem Bürgermeister noch von einer Stammtischrunde schlecht reden. Mein Beruf ist viel zu wertvoll, als dass ich ihn zum Spielball von Parteipolitik und Ideologiegeschwätz verkommen lasse. Er ist viel zu bedeutend, als dass ich ihn auf Ferienzeiten, Gesamtschulkonzepte und Notengebung reduzieren lasse. Er ist viel zu kostbar, als dass ich mich in sinnlose Diskussionen um zwei Arbeitsstunden verstricken lasse, in denen es ja ohnedies nur ums Geld und nicht die Qualität des Unterrichts geht.

Es ist das heroische Strahlen in den Augen des Jungen, der zum ersten Mal in seinem Leben ein „echtes“ Buch ausgelesen, verstanden und gemocht hat, das ich mit meinem Beruf verbinde. Es ist das zuversichtlich lächelnde Mädchen, das zuvor noch heulend ins Sprechzimmer gekommen ist, weil sie Angst hatte, den Erwartungen ihrer Eltern nicht gerecht werden zu können. Es ist das von Herzen kommende „Weißt du noch, als du in der 5. Klasse... Das hat mir echt die Augen geöffnet – Danke dafür“ bei einer Maturafeier (je schwieriger der Schüler desto herzlicher normalerweise die Dankbarkeit – man beachte außerdem das „Du“), das über so manch ausgefochtenen Kampf hinweg versöhnt.

Zusehen zu dürfen, wie sich Ihre Kinder in unseren Händen zu verantwortungsbewussten, selbständigen, fürsorglichen, inspirierten und inspirierenden Trägern einer besseren Zukunft entwickeln, ist wohl ein Privileg, das an Schönheit kaum zu überbieten ist. Daran kann auch ein Bürgermeister oder ein Schwarzmaler in einem Internetforum nichts ändern.


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