Enzinger: „Weiß, wie Standespolitik abläuft“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Michael Enzinger möchte mit seiner Erfahrung punkten. Modernisieren will er zum Beispiel das Treuhandbuch. Und Überlegungen zur Berufsüberwachung anstellen.

Die Presse: Der Wahlkampf ist fast vorbei. Wie haben Sie ihn erlebt?

Michael Enzinger: Als ich im November die Entscheidung, zu kandidieren, getroffen habe, habe ich mir die Szenarien der folgenden Monate kaum vorstellen können. Es haben sich einige unerwartete Dinge ereignet, die für die Kandidatur ungewöhnlich waren.

Dass sich drei Kandidaten der Wahl stellen? Oder die Art, wie der Wahlkampf geführt wird?

Ein Kandidat hat zurückgezogen. Medien und Internet sind heute anders eingesetzt worden als vor zehn Jahren. Es ist auch nicht üblich gewesen, dass Kandidaten einzelne Kanzleien besucht haben.

Hat Sie der Rücktritt von Stefan Prochaska überrascht? Wie wirkt er sich aus?

Aus drei mach zwei, das ist die primäre Auswirkung. Vom Zeitpunkt her hat es mich überrascht. Das war seine persönliche Entscheidung, die ich nicht zu kommentieren habe. Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich meine Art, Causen zu vertreten, immer so gestalte, dass ich auch ein öffentliches Amt ausüben kann. Wir dürften aber auch in unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig sein.

Wie unterscheiden Sie sich von Thomas Singer?

Einer der markanteren Unterschiede ist die Erfahrung in der Standespolitik. Die braucht man, um standespolitische Themen bei Entscheidungsträgern durchzusetzen. Dadurch, dass ich schon fast 20 Jahre als einfaches Ausschussmitglied tätig bin, weiß ich ungefähr, wie Standespolitik in Österreich abläuft. Und in einem kleinen Spektrum, für die Aus- und Fortbildung, habe ich das jahrelang an der Spitze gestaltet. Was ich nicht habe, ist Erfahrung in der Führung der Kammer – und das ist ganz gut so, dadurch bin ich nicht betriebsblind.

Gibt es inhaltlich Unterschiede?

Ich habe schon sehr konkrete Vorstellungen, wo der Hase im Pfeffer liegt: beim Treuhandbuch, in der Fortbildung, bei gewissen standespolitischen Themenstellungen wie der Tarifreform. Absolut nicht seiner Meinung bin ich beim Thema Rechtsanwaltsprüfung. Praxisorientierung sollen die Konzipienten nicht in der Prüfungsvorbereitung bekommen, sondern beim Anwalt, im Ausbildungsverhältnis.

Die Prüfung im jetzigen Umfang soll bestehen bleiben?

Ja, das ist unser Qualitätsargument, unser Asset im europäischen Wettbewerb. Das soll eine Prüfung sein, wo man mit maximalem Wissen herauskommt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, so viel gewusst wie in der Zeit der Prüfung habe ich nachher nie wieder. Dass weniger als zehn Prozent der Kandidaten durchfallen, zeigt auch, dass sie sich intensiv darauf vorbereiten und dass die Basisausbildung in Ordnung ist.

Muss die Kollegialität in der Anwaltschaft verbessert werden?

Das bringt weder Fortschritte in der Standespolitik noch Serviceverbesserungen des Kammeramtes. Persönliche Auseinandersetzungen zwischen Kollegen via Medien sind dem Gesamtimage nicht förderlich. Es ist auch nicht meine Wahrnehmung, dass keine Bereitschaft da wäre, sich in Anwaltsklubs mit standespolitischen Fragen auseinanderzusetzen. Da gibt es intensive Diskussionen, gerade mit jungen Kolleginnen und Kollegen.

Viel Kritik gab es an der Kammer, weil sie in der Causa Mathes (siehe Artikel unten, Anm.) nicht früher eingegriffen hat. Nun gibt es ein Gutachten, das ihr bescheinigt, es habe keine relevanten Sorgfaltsverstöße gegeben. Müsste dann nicht der Sorgfaltsmaßstab höher angesetzt werden?

Wir müssen diskutieren, ob wir in der Berufsüberwachung neue Ansätze brauchen. Eines ist klar: Je straffer das Instrumentarium ist, das ich als Kammer, sprich Behörde, habe, um Abläufe in einer Kanzlei zu überprüfen, desto höher ist auch das Haftungsrisiko. Klar ist aber auch: Wir haben keine polizeilichen oder staatsanwaltlichen Untersuchungsmöglichkeiten.

Trotzdem: Wie kann es passieren, dass so ein krasser Fall unbemerkt bleibt? Reagiert die Kammer nur auf sogenannte Mitteilungen nach § 22 der Richtlinien?

Nein, das stimmt so nicht. Egal, aus welchem Anlass wir im Ausschuss Informationen über Probleme erhalten, wird diesen mit der notwendigen Diskretion nachgegangen. Man muss jede – vielleicht sogar anonyme – Anzeige mit Vorsicht und Augenmaß beurteilen.

Nehmen Anwälte, die gegen Kollegen einschreiten müssen, ihre Pflicht, Meldungen nach § 22 zu erstatten, zu wenig wahr?

Das kann ich nicht ausschließen. Viele Kollegen sind sich dessen nicht bewusst, dass das in den Richtlinien für die Berufsausübung steht. Als Konzipient hat man das für die Prüfung gelernt und vielleicht später wieder vergessen.

Es könnte eine Hemmschwelle, geben, wenn der eigene Mandant gegen eine solche Meldung ist.

Diese Hemmschwelle darf und kann es nicht geben.

Nun ist uns aber bekannt, dass Ihre Kanzlei den Präsidenten des Juristenverbandes, Fritz Wennig, gegen Michael Mathes vertreten hat. Auch da ist die §-22-Meldung unterblieben.

Mit der Sache war ich nicht befasst. Die Mitteilung wurde durch den zeitnahen Todesfall obsolet.

Gutachter Ronald Rohrer sprach nicht mit dem Masseverwalter, der sicher das umfassendste Wissen zur Causa Mathes hat. Wieso nicht?

Das weiß ich nicht.

Wie würden Sie es mit dem Thema Transparenz halten?

Transparenz ist für mich bei öffentlichen Institutionen extrem wichtig. Die schlechteste Problemlösung ist das Unter-den-Teppich-Kehren. Das hat noch nie funktioniert.

ZUR PERSON

Michael Enzinger, geboren am 20. 10. 1959, ist Partner bei Lattenmayer, Luks & Enzinger Rechtsanwälte und hat seit Ende 1990 die Lehrbefugnis für Handels- und Wertpapierrecht. Er ist Mitglied des Ausschusses der RAK Wien und war bis November 2014 Vorstand der Anwaltsakademie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2015)

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